Kloster St. Katharina → Gasthaus »Zum Goldenen Stern«

Katharinenstraße, rechts (Westen) das Kloster St. Katharina

Willkommen am Stern! Hier treffen die bedeutenden Handelswege der Via Regia Lusatia aus Norden über Kassei kommend mit der aus Süden von Frankfurt kommenden Via Regia und dem langen Steinweg (heute Katharinenstraße) vorm Georgentor her zusammen. Sie bringen den Stern fast 800 Jahre lang zum Leuchten.

Hier Iebten und wirkten im Mittelalter Nonnen adliger Herkunft in einem Kloster und verwalteten umfangreiche Besitztümer. Hunderte Jahre spater hielten Fuhrleute im Gasthof zum Goldenen Stern ihre Rast. Spater entwickeite sich dieser Ort der Gastlichkeit zu einem Zentrum städtischen Lebens, ein Festsaal wurde angebaut.  Henner und Frieder, die Originale des Sommergewinns, Iockten die Eisenacher hierher.

Welche Spuren sind von alldem noch zu finden? im Jahr 2020 fanden umfangreiche archäologische Grabungen statt, um die Baugeschichte des Klosters, aber auch die frühe Besiediung des Gebietes und damit auch die Geschichte Eisenachs und Thüringens fortschreiben zu können.

späte Bronze- / frühe Eisenzeit — Versuche der Trockenlegung

Die Archäologen konnten anhand van Schwemmsandschichten ein früheres Höhengefälle der Fläche von Ost nach West nachweisen. Die Fläche war wasserreich und wurde immer wieder überschwemmt. Das Areai war somit für eine Besiedelung zunächst ungeeignet.

Dennoch unternahm man den Versuch, die Fläche durch Entwässerungsgräben trocken zu legen, jedoch ohne Erfolg.

Mittelalter

Auf dem weitläufigen Gelände vor dem Georgentor befanden sich um 1200 bereits eine Richtstätte (Fehmstatt) und das Hospital St. Clemens, eine der ältesten caritativen Stiftungen Eisenachs. Das Hospital beherbergte vor allem Aussätzige, die damals zur Vermeidung von Ansteckung mit ihrer Leprakrankheit vor die Tore der dicht bevölkerten Städte verbannt wurden.

Für die Errichtung des Klosters mußten diese Einrichtungen weichen: Die Richtstätte verlegte man auf den Goldberg im Südosten der Stadt. Das neue Hospital St. Clemens wurde am Steinweg vor dem Nikolaitor mit einer Kapelle errichtet.

Daneben gab es schon damals eine Ansiedlung am Ehrensteig (Stiegk), die eine Art Wirtschafts- und Versorgungshof der über den Zeisiggrund gut zu erreichenden Wartburg war.

1204

Für Eisenach wird eine Männersieche und 1226 auch eine Weibersieche genannt. Möglicherweise bezieht sich die Nenung von 1204 auf St. Clemens.

um 1208 — Gründung des Klosters St. Katharina

Nach der überlieferten Gründungssage träumte Landgraf Hermann I. von der Heiligen Katharina, die ihm den Weg für den Bau eines Klosters vor dem Eisenacher Georgentor wies.

Landgraf Hermann I. und Gemahlin Sophie

Das Areal war dafür gut geeignet: Es gab ausreichend Wasser, einen Brunnen, Holz und Weideland. Zudem verliefen hier wichtieg Handelsstraßen: Vom Georgentor führte die Via Regia stadtauswärts — in etwa wie die heutige Katharinenstraße. An dieser Stelle gabelte sich der Weg in eine Straße nach Kassel und Köln sowie einen Weg Richtung Südwesten nach Frankfurt.

Bereits 1208 hatte Papst Innozenz III. dem Abt des Klosters Pforta bei Naumburg (Saale) die geistliche Aufsicht über Äbtissin und Nonnen des noch im Aufbau befindlichen Eisenacher Katharinenklosters übertragen.

1214 — Klosterweihe

Bei der Klosterweihe 1214 waren nicht nur der gesamte Hofstaat des Landgrafen sondern auch die achtjährige ungarische Prinzessin Elisabeth, die spätere Gemahlin Ludwig IV. (Hochzeit 1221 in der Georgenkirche), anwesend. Erster Probst des Nonnenklosters wurde Landgraf Hermann I. und seine Nichte, Imagina von Loon, junge Witwe des Herzogs von Brabant, wurde erste Äbtissin.

Auf Betreiben des Landgrafen wurde das Kloster dem Zisterzienserorden übertragen. Von Chronisten wird das Kloster als eine ansehnliche Anlage mit einer stattlichen, noch im spätromanischen Stil erbauten und St. Katharina geweihten Kirche und einer Kapelle St. Johannis beschrieben. Etwa 60 Nonnen bewohnten das Kloster. Es gab vornehmlich adligen und vornehmen Damen (Witwen) aus dem Thüringer Lande Domizil; unter ihnen sind Angehörige der Geschlechter von Weingarten, von Farnrode, von Seebach, von Hopfgarten und von Goldacker bezeugt, es bestand eine enge Verbindung zum landgräflichen Herrscherhof. Bedeutende Vermögenswerte wurden dem Kloster gestiftet, so daß es reich begütert war und zahlreiche Liegenschaften in Thüringen besaß. Landgraf Ludwig IV. übereignete dem Kloster die Pfarrei St. Georgen in Eisenach und die in Allendorf bei Soden/Werra. Auch Landgraf Heinrich Raspe schenkte dem Kloster Ländereien, darunter einen Wald in Klosternähe, vermutlich das heutige Klosterholz. So gehörten dem Kloster zu seiner Blütezeit u.a. ein Schafhof am Wolfgang, die Öl- und Schlagmühle in der Fischerstadt, die Dörfer Wartha (gestiftet von Albrecht von Brandenburg) und Langenhain (Schenkung von Kunigunde von Eisenberg, die sich damit eine Begräbnisstätte für sich und ihren Sohn Apitz sicherte), Vorwerke in Wangenheim und Hochheim, Güter in Mechterstedt und Oesterbehringen sowie die Pfarreien von Gangloffsömmern und Sundhausen.

Die genaue Lage der wesentlichen Klostergebäude wie Kirche, Kapelle, Dormitorium, Refektorium, Kreuzgang und Friedhof ist weiterhin unklar. Anwohner südwestlich des Grabungsgebietes (braun schraffiert) berichten jedoch von Fundstücken, die sie beim Bau ihrer Häuser fanden und die auf das Kloster schließen lassen. Vermutlich befanden sich die wichtigen Klostergebäude innerhalb der grün schraffierten Fläche.

1247 — Das Kloster als Begräbnisstätte

1247 starb Landgraf und Gegenkönig Heinrich Raspe. Er war der dritte Sohn von Hermann l., erbte jedoch durch den frühzeitigen Tod seiner alteren Geschwister den Landgrafentitel. Nach der Absetzung Kaiser Friedrichs im Jahr 1245 wurde er — unterstiltzt vom Klerus — von einer Minderheit deutscher Filrsten zum König gewahlt. Als er kurz darauf kinderlos verstarb, beendete er die Linie der Ludowinger und es brach ein Erbfolgekrieg aus.

Mit seiner Beisetzung im Katharinenkloster reihte er sich in eine Tradition ein, die sein Vater begonnen hatte. Nach Hermann I. ließen sich viele Persénlichkeiten aus Adel und Klerus ebenfalls dort beisetzen, unter anderen:

  • Landgraf Ludwig IV. 1227,
  • Landgräfin Sophie 1238,
  • Landgraf Heinrich Raspe 1247,
  • Kunigunde von Eisenberg 1285,
  • Agnes, Schwester des Landgrafen Hermann von Hessen 1304,
  • Landgraf Friedrich der Freidige aus dem Hause Wettin 1323

sowie zahlreiche adelige Damen, beispielsweise der Familien von Wangenheim und Farnrode. Als sich der Niedergang des Klosters abzeichnete, wurden um 1550 die Gebeine der im Kloster beigesetzten fürstlichen Personen und deren Grabsteine nach Gotha auf Burg Grimmenstein verbracht. Nach dessen Zerstérung 1567 und einer Zwischenlagerung in der Stadt gelangten sie nach Reinhardsbrunn. Dort wurden die Steine an der Außenfront der Klosterkirche im Jahr 1613 aufgestellt. 1874 fanden diese in der neu errichteten Reinhardsbrunner Schloßkirche ihren endgültigen Platz.

1522 — Der Niedergang des Klosters

Im Zuge der Reformation und des Bauernkrieges kam auch für dieses Kloster das Aus.

1525 — Bauernkrieg

Im Bauernkrieg entlud sich die Wut der unteren Gesellschaftsschichten über die ungleiche Verteilung des Wohlstandes und führte zur Zerstörung der kostbaren Ausstattung des Klosters.

1530 — Auszug der Nonnen

Mit dem Auszug der letzten Ncnnen beginnt endgültig der \/erfall der Gebäude. Die Anlage wird als Steinbruch genutzt.

um 1550 — Verlegung der Gräber

Die Gebeine und Grabsteine der im Kloster beigesetzten fürstlichen Personen werden nach Gotha auf Burg Grimmenstein verbracht.

Während der archäologischen Untersuchungen wurden auch die Fundamente des nördlichen Bereichs der ehemaligen Gaststätte freigelegt. Hier zeigte sich, dass die Fundamente spätrnittelalterliche Kulturschichten überlagerten. Jedoch fanden sich keine Hinweise auf eine frühneuzeitliche Bebauung aus der Zeit nach Aufgabe des Klosters. Die Fläche ist anscheinend ab dem 16. Jahrhundert nicht bebaut gewesen, Nördlich schioss sich seit etwa 1500 ein Garten an.

um 1596-1699 — Neue Nutzungen in alten Gemäuern

Gebäude der Klosteranlage führte man auch anderen Zwecken zu und veränderte sie baulich. So Iieß Herzog Ernst I. (regierte 1596-1630) dort ein Zeughaus, Herzog Georg I. (regierte 1672-1686) einen Kornboden und Herzog Georg ll. (regierte 1686-1699) ein Komödienhaus einrichten. Zu dieser Zeit könnte also die Geschichte des Ortes als Veranstaltungsstätte bereits begonnen haben.

1720 — Einsturz der Klosterkirche

1720 stürzte die Klosterkirche ein, nachdem man tragende Bauteile entfernt hatte. Baumaterialien und Steine wurden verkauft aber auch für Reparaturen der Burg  Clemda (Klemme) benutzt. Für das gleiche Jahr wird der Einsturz der Kapelle des nahe gelegenen St. Spiritus berichtet. — Zufall? Irrtum? Mißverständnis?

1802 — Geburtsstunde des Gasthofes

Um 1800 waren keine baulichen Reste des Klosters mehr vorhanden. Auf dem Gelände des ehernaligen Klosters wurde 1802 an der Kasseler Straße der Gasthof Zum Goldenen Stern gebaut. Der Name Stern bezog sich auf die damals so bezeichnete Weggabelung, an der der Gasthof lag. Dort trafen die Handelswege der \/ia Regia Lusatia aus dem Norden sowie die aus Frankfurt kommende Via Regia zusamrnen. Sle fanden ihre Fortsetzung in der Katharinenstraßle, Georgenstraße, Karlsstraße sowie  dem Sonnabendsmarkt (Karlsplatz) und führten durch das Nikolaitor nach Osten.

In einer Urkunde aus dem Jahr 1802 erlaubte Herzog Carl August dem Eisenacher Bürger Sebastian Raak, das von ihm besitzende so genannte Kornhaus am Ende der Georgenthor-Vorstadt, zu einem Gasthofe, zum Stern genannt, völlig zu errichten. Mit der Konzession war für Raak das Recht verbunden, von jetzt an, fremde Reisende, hohen und niederen Standes, auf- und einzunehmen, zu beherbergen, mit Speise, Getränk und anderer Nothdurft zu versehen, desgleichen Fuhrleute und andere Personen zu Roß und Fuß mit allen Nothdürftigkeiten, gegen billigmäßige Bezahlung zu verpflegen. Aber Raak war nicht nur Wirt sondern auch Aufpasser. Er hatte darauf zu achten, keine lüderlichen und verdächtigen Leute aufzunehmen und durfte nicht zulassen, daß die Gäste ärgerliche und schädliche Dinge, übermäßiges Saufen, Schwelgen, Nachtsitzen, Sabbathsschändungen, Fluchen, Gotteslästern, Resonieren über Obrigkeiten und obrigkeitliche Anordnungen veranstalteten.

Dér Gasthof wird im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem viel besuchten Vergnügungslokal, das weit über Eisenach hinaus bekannt war.

1906 — Der Festsaal wird angebaut

Der Gasthof wlrd um einen Saalbau erweitert und enwickelt sich zu einem wichtigen Versammlungs- und Vergnügungsort. Zahlreiche Kommersche des Sommergewinns finden in diesem stuckverzierten und im Jugendstil gehalteten Festsaal statt. Um 1920 trat dort auch Marlene Dietrich auf.

Von der hohen Qualität des Saalbaus berichtet die Eisenacher Zeitung:

Eisenacher Zeitung vom 27.09.1906:

Saaleröffnung. Man schreibt uns: Am Sonnabend, den 22. des Monats, ist in der Weststadt ein an den Gasthof Zum Goldenen Stern angebauter Saal seiner Bestimmung übergeben worden. Der prächtige Bau, welcher in solidester Weise ausgeführt ist, macht einen imposanten Eindruck. In dem 25 Meter langen und 16 Meter breiten Raum, an welchen sich noch eine 35 Quadratmeter messende Bühne mit den nötigen Garderoben anschließt, sind die Heizungs-, Beleuchtungs- und Ventilationseinrichtungen dem schönen Raume, welchen auch noch eine für doppelte Sitzreihen ausgelegte Galerie umgibt, aufs trefflichste angepaßt. Ebenso ist auf die Feuersicherheit sowie auch für Aus- und Eingangstüren, aber auch für praktisch angelegte Treppen hinreichend gesorgt, so daß jegliche Gefahr für das dort verkehrende Publikum gänzlich ausgeschlossen ist. Noch ein kleiner Saal und außerdem zahlreiche Nebenräume lassen die ganze Anlage für Vereine und Gesellschaften außerordentlich zweckentsprechend erscheinen. Sämtliche Arbeiten sind von hiesigen Meistern aufs Beste ausgeführt. Mit der Bauleitung war der Architekt Gustav Harnisch hier betraut.

1920 — Sommergewinn!

Ab 1920 ist der Saal des Gasthauses immer wieder Zentrum für Veranstaltungen des Eisenacher Sommergewinns.

Einige der für den Raum charakteristischen Art-Déco-Malereien wurden um 1924 bis 1928 im Saal angefertigt. Die expressiven Kompositionen spiegeln die beschwingte Stimmung dér Festveranstaltungen jener Zeit wider.

Detail der noch erhaltenen Ausmalung im Saal

1930

Über 100 Jahre nach der Errichtung des Gasthauses steht dieses nicht mehr frei am Straßenrand. Eisenach ist inzwischen eine bedeutende Stadt des Fremdenverkehrs und der lndustrie geworden.

Am 8. März 1931 wird das Stiegker Volksstück Miele des Eisenacher Oberlehrers[sic!] Fritz Reinhardt im Festsaal aufgeführt, in dem die Eisenacher Originale Henner und Frieder, Karikaturen von Paul Hempe, erstmals als Personen auftreten.

1950 — Nachkriegszeit

Nachdem 1939 der letzte Sommergewinn vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gefeiert wurde, finden von 1950 bis 1954 die Kommerschabende wieder im Festsaal des Stern statt.

1954 wird der Gasthof mit seinem Saal Volkseigentum und in der Folgezeit verschiedenen Nutzungen zugeführt. Er diente zum Beispiel bis 1958 als Lebensmittellager. In den 1950er Jahren war man sich der historischen Bedeutung durchaus bewusst. Bis Ende der 1980er Jahre wird der Saal von verschiedenen Pächtern und Betreibern für Gastronomie und Veranstaltungen, insbesondere für den Sommergewinn, genutzt.

1990 — Nachwendezeit

Nach 1990 gelangte die leerstehende lmmobilie zunächst in das Eigentum der Treuhand, die sie von März 1991 bis Ende 1994 an einen Möbelmarkt vermietete und anschließend an einen Diskothekenbetreiber verkaufte, Das Gebäude stand überwiegend leer und verfiel. Am 6.November 2009 fand das letzte große Ereignis, ein Konzert der Band Northern Lite, im Saal statt.

2007 — Städtebaufördermiitel

2006 beantragt die Stadt für die Sicherung des Stern Städtebaufördermiitel, womit der Eigentümer bei den dringend nötigen Baumaßnahmen unterstutzt werden soll. lmmer wieder gibt es neue Hoffnung und neue Fördermittelbescheide (2007, 2010, 2015, 2017), die doch immer wieder widerrufen werden mussen.

2016 — Der Stern wird Eigentum der Stadt

Nach der Iangen ungenutzen Zeit befanden sich Gasthof und Saal in einem denkbar schlechten Zustand: bröckelndes Mauerwerk, undichtes Dach, der Hausschwamm
zerfraß dle Hölzer des Fachwerks. 2016 soll die lmmobilie versteigert werden, doch die Stadt Eisenach macht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Damit konnten die dringenden Maßnahmen zur Sicherung des Saales eingeleitet werden. Für die weiteren Gebäude des Gasthofes war es schon zu spät.

Die Stadt beabsichtigt das Objekt an die stadteigene SWG zu verkaufen, die hier 60 Wohneinheiten errichten will.

2018 — Archälogische Grabungen

Nach dem Abbruch der Gebäude des ehemaligen Gasthofes und um für eine zukilnftige Entwicklung Baufreiheit zu schaffen, wurden Grabungsarbeiten notwendig. Eine Neubebauung wird das Bodendenkmal endgültig zerstören. Die Grabungen unter der Leitung des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie begannen im Juli 2020 und sind mittlerweile abgeschlossen.