St. Spiritus

Das Hospital St. Spiritus war ein mittelalterliches Kranken- bzw. Siechenhaus in Eisenach. Es befand sich am Südwestende des Ehrensteiges, an der Frankfurter Straße

Da wirksame Heilmittel gegen Infektionskrankheiten unbekannt waren, stellten Seuchen und Epidemien eine stete Gefahr für mittelalterliche und (früh-)neuzeitliche Städte dar.  Weit verbreitet war damals die Lepra, meist Aussatz genannt. Man begegnete dieser Gefahr hauptsächlich durch die Isolation der Erkrankten in eigens errichteten Siechenhäusern (auch Gutleutehaus, Kottenhaus, Leprosorium). Diese lagen außerhalb der Stadtmauern, sehr oft an einer häufig benutzen Handelsstraße oder einem Pilgerweg.

Diese spezielle Hospizform entwickelte sich zusammen mit den Städten im 11. Jahrhundert und wurde durch das Dritte Laterankonzil 1179 maßgeblich befördert. Auf diesem Konzil wurde ein als karitatives Krankenrecht in die Zuständigkeit der Kirche fallendes spezielles Aussätzigenrecht beschlossen. Dieses Recht war auf Aussonderung (im Interesse der allgemeinen Gesundheit) — aber eben auch auf Ehe- und Existenzsicherung der Leprösen bedacht.

Die Begriffe Siechenhaus und Hospital werden häufig synonym verwendet. Das kann zu Mißverständnissen führen, da Hospitäler eigentlich nur zur Aufnahme nicht-infektiös Erkrankter oder ganz allgemein Armer gedacht waren und sich deswegen häufig auch innerhalb der Stadtmauern befanden. Allerdings wurden in relativ seuchenfreien Zeiten Siechenhäuser auch durchaus im Sinne von Hospitälern für die ärmeren Bevölkerungsschichten genutzt, wodurch begriffliche Überschneidungen erklärbar werden. Davon zu trennen sind aber die im späten 14. Jahrhundert aufkommenden Pesthäuser, für die nochmal strengere Isolationsvorschriften galten.

Für die Lepra war im Mittelalter auch die Bezeichnung Lazarus-Krankheit gebräuchlich. Dieser Name bezieht sich auf den Orden des Heiligen Lazarus (voller Name Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem), dessen erste urkundliche Erwähnung sich im Jahre 1043 in einer Bulle von Papst Benedikt IX. findet. Das war eine christliche ritterliche Ordensgemeinschaft von Hospitalitern, die ihre Ursprünge in einem dem Heiligen Lazarus von Bethanien geweihten Leprahaus (Leprosorium) außerhalb der Stadtmauer von Jerusalem hat. Dieses Leprahaus ist nochmal deutlich älter als der Orden, von ihm wird schon im 4. Jahrhundert berichtet. Der Orden betrieb auch in Europa entsprechende Häuser. Die Namen Saint Lazare für französische oder San Lazzaro für italienische Vorstädte deuten darauf hin. Aus dem umfangreichen hospitalischen Wirken des Lazarus-Ordens über Jahrhunderte hinweg entstand letztendlich der Begriff Lazarett als Synonym für Hospital und Hospiz. Auch hat sich das grüne Amalfi-Kreuz des Lazarus-Ordens als allgemeines Symbol der Apotheken erhalten.

Lepra-Erkrankte durften betteln, mußten aber mit einem Glöckchen oder einer Klapper darauf aufmerksam machen, daß sich ein Erkrankter näherte.

In mittelalterlichen Städten gab es eine Leprabeschau. Eine Kommission begutachtete dabei potentiell Erkrankte. Kamen die Gutachter zu dem Schluß, daß die Betroffenen leprös waren, schickten sie die Menschen ins Siechenhaus. Äußerlich sichtbare Symptome der Syphilis sind denen der Lepra ähnlich. Deswegen wurden vermutlich auch viele Syphilis-Patienten fälschlicherweise als an Lepra erkrankt eingestuft. Darüber hinaus besaßen die Aussätzige genannten Erkrankten das ausdrückliche Recht zum Betteln und ihnen wurde außerdem auch der Zehnt und andere Abgaben erlassen, was durchaus auch ein gewisses Mißbrauchspotential bot.

Im Gegensatz zur Pest starben Lepra-Kranke nicht zeitnah. Die erkrankten Personen waren für den Rest ihres Lebens Ausgestoßene (Ausgesetzte, Aussätzige), die als bürgerlich tot (tamquam mortuus, gleichwie tot) betrachtet wurden. Zwar galt die Lepra einerseits als Strafe Gottes, andererseits erforderten aber schon die Gebote der christlichen Nächstenliebe ihre Versorgung. Ihre Not gab etwaigen Wohltätern die Möglichkeit, sich durch gute Werke den Himmel zu verdienen. Durch die Lage an einer Ausfallstraße sollte auch Vorüberkommenden diese Gelegenheit geboten werden. Bildstöcke machten häufig darauf aufmerksam und animierten zu Spenden.

Eines der beiden Gemälde des Meisters von Sierentz, entstanden um 1450, zeigt den Heiligen Martin von Tours, der seinen Mantel mit einem offensichtlich am Aussatz erkrankten Mann teilt:

Im damals stark christlich geprägten Europa kam den Heiligen auch eine gewisse Vorbildfunktion zu, der nachzueifern sich für die Gläubigen lohnte, wollten sie dem Fegefeuer entgehen. Insofern kann das Werk durchaus als eine direkte Aufforderung zum Spenden verstanden werden.

Die ebenfalls auf die Beschlüsse des Dritten Laterankonzils zurückgehende Verbindung von Bett und Altar verfolgte den Zweck, den Erkrankten eine geregelte Teilnahme am christlichen Leben ermöglichen. Deswegen befand sich auf den Anwesen der Siechenhäuser oft eine eigene Kapelle (die Heiliggeist-Kapellen — St. Spiritus) und ein eigener Friedhof.

In Europa gingen die Infektionszahlen dieser bis dahin allgemein verbreiteten Krankheit gegen/ab dem Ende des 16. Jahrhunderts drastisch zurück, so daß die Lepra in Europa praktisch bedeutungslos wurde. Die Ursache für diesen Rückgang ist unbekannt. Eine Vermutung läuft darauf hinaus, daß Lepra/Aussatz durch andere Seuchen wie Pest, Cholera, Tuberkulose oder Typhus überlagert wurde. Diese Epidemien führten schneller zum Tode und fanden unter den geschwächten, in prekären Verhältnissen auf engem Raum zusammenlebenden Leprösen ein ideales Verbreitungsumfeld, töteten die Infektiösen und stoppten so die weitere Verbreitung. Jüngere Forschungen lassen auch vermuten, daß eine genetische Selektion ausschlaggebend für den Rückgang war. Mit dem Ende der Lepra traten gleichzeitig vermehrt Fälle von Schuppenflechte (Psoriasis)  auf, wobei beide Krankheiten sich möglicherweise gegenseitig ausschließen. Insbesondere in Entwicklungsländern ist die Krankheit jedoch nach wie vor ein ernsthaftes gesundheitliches Problem.

Über die Entstehungszeit des Eisenacher Hospitals St. Spiritus ist bisher nicht viel bekannt. Zwar wird für 1204 eine Männersieche und für 1226 eine Weibersieche in Eisenach erwähnt aber es ist bislang unklar, welche Objekte konkret damit gemeint sein könnten. Möglicherweise handelt es sich bei St. Clemens um die Männer- und bei St. Spiritus um die Weibersieche.

Für Erfurt werden um diese Zeit fünf Siechenhäuser erwähnt: 1227 domus leprosorum vor dem Löbertor, 1265 Leprosenhospital Ilversgeholfen, im 13. Jahrhundert ein Leprosenhaus vor dem Schmidtstädter Tor, 1293 domus infirmorum ante Krampfentor vor dem Krämpfertor und 1389 ein Siechenhaus für aussätzige Weiber ebenfalls vor dem Krämpfertor. Gotha kennt vor 1347 einen Siechenhof, domus leprosorum, vor dem Siebleber/Erfurter Tor.

Jedenfalls ist St. Spiritus gleich dem Clemensspittel vermutlich sehr alt und war für Aussätzige bestimmt. (Lage vor der Stadtmauer an einer Ausfallstraße aber ohne besondere Isolation.) Dann nahm es arme Leute auf. 1425 erhielten die guten Leute bei den Fichten eine Spende von einem Gulden jährlich. Vor den Fichten hieß jene Gegend am Ehrensteig; der Berg über dem ehemaligen Hospital trägt noch heute den Namen Siechenberg. 1506 kam das Hospital unter der Bezeichnung Ad Sanctum Spiritum extra portam Sancti Jeorii (Bei St. Spiritus vorm Georgenthor) vor, später wurde es auch Weibersiechen oder Heiliger Geist genannt. Wie St. Clemens war es mit einer kleinen Kapelle verbunden, in der 1643 jede Woche einmal gepredigt wurde.

Die Kapelle wurde baufällig und fiel 1720 ein. Allerdings wird für das gleiche Jahr der Einsturz der Kirche des ehemaligen Katharinenklosters berichtet. Zwei derart ähnliche Ereignisse im gleichen Jahr? — Möglicherweise ein neckischer Zufall, vielleicht aber auch einfach ein Irrtum oder ein Mißverständnis.

Die Kapelle soll nicht wieder aufgebaut sondern stattdessen das Hospitalgebäude erneuert worden sein, was ihm zum größeren Teil seine heutige Gestalt gab. Verstorbene wurden früher auf einem kleinen Friedhof vor dem Haus beerdigt. Als die Frauen in den neuen Bau in der Fischerstadt gezogen waren, siedelten Erkrankte von St. Clemens dorthin über.