Der Kartausgarten

Im Kartausgarten vor dem Gärtnerhaus, 1959

Der rund 3,8 Hektar große und seit 1979 als Kulturdenkmal geschützte Kartausgarten ist die älteste öffentliche Gartenanlage der Wartburgstadt.

Kartause Eisenach

Im späten Mittelalter, von 1378 bis 1383, gründen Mönche des Kartäuserordens mit Unterstützung der Landgrafen Friedrich III., Wilhelm I. und Balthasar südlich der Stadt vor dem Frauentor ein Kloster, die Kartause Domus Vallis Sanctae Elisabeth (deutsch: Haus im Tal der Heiligen Elisabeth). Die aus Erfurt kommenden Ordensbrüder bauen eine Kirche sowie Wohn- und Nebengebäude. Für ihren Garten terrassieren und modellieren sie das Gelände und legen mehrere Fischteiche an. Die Terassen werden für den Wein- und Hopfenanbau genutzt. Dieser Klostergarten ist Keimzelle und Namensgeber des heutigen Kartausgartens, der Bereich rund um die frühere Klosterkirche bildet sein Zentrum. Ihre größte Blütezeit hat die Kartause im 14. und 15. Jahrhundert.

Die Reformation spaltete die Brüder. Bereits zu Beginn der 1520er Jahre schließen sich einige Mönche der Lehre Martin Luthers an. Nach der Plünderung der Klostergebäude und der Vertreibung der Mönche im Eisenacher Pfaffensturm vom 24. April 1525 erfolgt die Auflösung des Klosters.

Kurfürst Johann beschlagnahmt die Anlagen. Kurfürst Johann Friedrich I. läßt das nunmehr säkularisierte Kloster bis 1537 wieder instand setzen, Schüttböden für Getreide und Lagerräume anlegen, die landwirtschaftlichen Nutzflächen verpachten und nutzt das Gelände zunächst als Lustgarten.

Während des Dreißigjährigen Krieges wird die Anlage erneut geplündert. Insbesondere werden die Wein- und Hopfenpflanzungen ruiniert. 1694 wird in den Klostergebäuden durch Herzog Johann Georg II. ein Waisen- und Spinnhaus eingerichtet. Der Garten dient unter dem Gärtner Paul Thieme als Baum- und Gemüsegarten, also als herzoglicher Küchengarten.

Das Gärtnerhaus

Auf Teilen der Klosterkirchenruine steht seit etwa 1700 das Gärtnerhaus. Hier war einst der Friedhof der Kartäuser. (Im Jahr 1995 wurden bei Schachtarbeiten einige der mittelalterlichen Gräber entdeckt.) Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (* 1757, † 1828) veranlaßt, unter Mitwirkung des Oberbaudirektors Clemens Wenzeslaus Coudray (* 1775; † 1845), in den Jahren 1822 bis 1823 einen Umbau des Gärtnerhauses im klassizistischen Stil. Das für Salon, drei Stuben, eine Kammer und Küche neu konzipierte Wohnhaus ist nun über einen Nebeneingang und eine vorgelagerte Terrasse mit dem Garten und dem Gewächshaus verbunden.

Das Gärtnerhaus wird noch mehrfach in nördliche Richtung erweitert und umgebaut. Es bildet, zusammen mit der dortigen Hofgärtnerwohnung und den direkt anschließenden Gewächshäusern zur Anzucht und Überwinterung von Pflanzen, seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Einheit. Die Glashäuser werden in den 1990iger Jahren abgerissen und durch eine Pergola ersetzt.

In Anerkennung der Verdienste des Hofgärtners Hermann Jägers schenkt ihm Großherzogin Sophie in den 1860er Jahren für eine repräsentative Ausgestaltung des Salons im Gärtnerhaus zwölf französische Bildtapeten mit dem Zyklus des antiken Märchens Amor und Psyche. In diesem Salon treffen sich Gartenfachleute wie Hermann Fürst Pückler und Eduard Petzold mit Hermann Jäger, der auch als Autor zwahlreicher Gartenfachbücher tätig ist, und anderen Persönlichkeiten zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch.

Die Bildtapeten

Diese Bildtapeten stellen die größte Erfindung der französischen Tapetenindustrie des 19. Jahrhunderts dar. Die damals beliebten, reproduzierbaren Tapeten zeigen oft illusionistische Landschaften im Sinne der Rückkehr zur Natur, zu neuen Formen der Gartenkunst. Eine Besonderheit bilden die Bildtapeten mit der Darstellung des antiken Märchens von Amor und Psyche mit ihrer dreidimensionalen Wirkung. Erstmals wurde der Zyklus mit den Motiven aus der griechischen Mythologie im Jahr 1815 in der Pariser Manufaktur von Joseph Defour in zwölf Bildern gedruckt. Die Entwürfe für die Tapetenmotive stammen von den Malern Jerry-Joseph Biondel (* 1781, † 1853) und Louis Lafitte (* 1770, † 1828).

1717 bis 1721 entsteht auf dem Gelände auch ein Zucht- und Waisenhaus mit Textilmanufaktur. Etwa ab 1788 läßt Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (* 1757; † 1828) durch den Hofgärtner Johann Georg Sckell die Anlage nach dem neueren Gartengeschmacke in einen Landschaftsgarten umgestalten.

Von 1802 bis 1840 dient der Garten unter dem Hofgärtner und Botaniker Friedrich Gottlieb Dietrich (* 1765; † 1850) als Botanischer Garten, der Anschauungsmaterial für sein großes Pflanzenlexikon liefern muß. Dietrich war seit 1801 durch Vermittlung Goethes Hofgärtner von Schloss Wilhelmstal. Er führt als erster Eisenacher Gärtner systematische botanische Studien durch und will damit die oft teuren und in großer Zahl aus Übersee importierten Pflanzen auf ihre Eignung und Anbaubedingungen prüfen. Das 1825 erneuerte Gärtnerhaus erhält auf seinen Wunsch einen kleinen Schulungsraum, wo er den Gartenbediensteten und Laien Botanikunterricht erteilt. Später wird dieser Raum zum Teezimmer – dem mit französischen Bildtapeten geschmückten klassizistischen Pavillon.

Nach Schließung des Waisenhauses im Jahr 1819 werden die Gebäude als Straf- und Besserungsanstalt genutzt. Ab 1845 erhält der Garten von Hermann Jäger (* 1815, † 1890) seine heutige Gestalt. Auch wird der Kartausgarten zum Ausgangspunkt weiterer Anlagen, welche vom Eisenacher Verschönerungsverein angestoßen werden, beispielsweise die Schwendelei – eine Promenade oberhalb des Kartausgarten.

Um 1900 ist der Garten mit heimischen und auch zahlreichen exotischen Gehölzen angefüllt. Im Sommerhalbjahr wurden im Kern der Anlage viele Kübelpflanzen (u. a. Palmen, Agaven, Lorbeerbäume) aufgestellt, sogar Kakteen werden in Steingärten ausgepflanzt.

Die Wandelhalle

Die Wandelhalle ist ein Zeugnis des Eisenacher Versuchs, zur renomierten Kurstadt zu werden. Kurz nach 1900 entsteht am südlichen Rand der Stadt schrittweise das Kur- und Mineralbad Eisenach. 1902 eröffnet das moderne, großbürgerliche und mit dem wohl größten Festsaal Thüringens (für 1.800 Personen!) ausgestattete Kurhaus Hotel Fürstenhof.

Die Trink- und Wandehalle, im Hintergrund das Kurhotel Fürstenhof

Im Zuge dieser Bestrebungen soll der Kartausgarten zum Kurpark umgestaltet werden. Das bis dahin an Stelle der Wandelhalle befindliche Waisen- und Zuchthaus wird von 1897 bis 1900 abgerissen. Die vom Architekten Johannes Bollert aus Dresden 1905/1906 im spätbarocken Stil errichtete Wandel- und Trinkhalle wird im Juli 1906 eröffnet und bildet das Zentrum des Kurbetriebes. Bollert überimmt das Gefrorene Wasser-Motiv an Säulen, Pfeilern und Gesimsen von Matthäus Daniel Pöppelmanns Terrassenentwurf am Dresdner Zwinger.

In der Halle wird, wie auch im Kurhaus und im Sophienbad, Heilwasser aus Wilhelmsglücksbrunn bei Creuzburg ausgeschenkt. Das Natrium-Chlorid-Sulfat-Wasser wird in einer eigenen, rund 14 Kilometer langen Wasserleitung herangeführt. Der insgesamt wenig rentable Kurbetrieb wird im Jahr 1938 ganz eingestellt.

Sengelsbachwiese — Der untere Kartausgarten  

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts besteht der Kartausgarten nur aus dem relativ kleinen Bereich rund um das Gärtnerhaus. In der Zeit des Hofgärtners Jäger wird der Garten durch den Ankauf mehrerer Privatgärten vergrößert, komplett umgestaltet und zum neuen Kartausgarten verschmolzen.

Von 1860 bis 1873 kommt die westliche, d. h. die untere Erweiterung hinzu. Dieser untere Neue Karthaus-Garten im Wiesengrund am Sengelsbach wird durch einen geschwungenen Hauptweg erschlossen und mit einem Nebenweg mit dem oberen Gartenteil verbunden. Dieser Weg mit Treppenanlage führt zum Lindenaussichtsplatz.

Im Zusammenhang mit dem Bau der Neuen Karthäuser Straße (heute Teil der Wartburgallee) in den Jahren 1896 bis 1900 wird der westlichste Teil des unteren Kartausgartens abgetrennt, der dortige Teich verfüllt und überbaut. In diese Zeit fällt auch die unterirdische Verlegung des Sengelsbaches. Obwohl der Bach seitdem nicht mehr sichtbar ist, bleibt er Namensgeber für den unteren Gartenteil.

Auf dem damals übrig gebliebenen Reststück des Gartens – auf der anderen Seite der Wartburgallee – entsteht Anfang der 1980er Jahre das 1983 eingeweihte Denkmal zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung der Künstler Anke und Siegfried Besser.

In Folge des Straßenneubaues am Ende des 19. Jahrhunderts wird 1898 noch eine weitere Fläche dem Kartausgarten entzogen: Der in der Karlsstraße ansässige Hofkonditor Franz Schmitz läßt von 1900 bis 1901 südlich der späteren Wandelhalle ein repräsentatives Gebäude (später Pionierhaus, Wartburgallee 55) errichten. Anhaltende Bürgerproteste in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verhindern die Herauslösung weiterer Flächen aus dem Kartausgarten und die nachfolgende private Bebauung der Sengelsbachwiese entlang der späteren Wartburgallee.

Der Kartausgarten und die Wartburg

Die Sichtverbindungen zur Wartburg sind ein wichtiges Gestaltungsmittel zur landschaftlichen Einbindung des Kartausgartens in seine Umgebung. Immer wieder wird vor allem der Wartburgblick vom – bereits 1808 erwähnten – Platz mit den ausgebreiteten Linden (Lindenaussichtsplatz) am Rand des oberen Gartens gelobt. Von diesem Platz schaut man auch auf den unteren Teil des Gartens, an dessen westlichster Spitze das Denkmal für Großherzog Carl Alexander (* 1818, † 1901) steht.

Hofgärtner Hermann Jäger (* 1815, † 1890) beschreibt im Jahr 1871 seinen Kartausgarten wie folgt: Er ist nicht groß, und hat ausser den Gewächshäusern und der Wohnung des Hofgärtners keine Gebäude. Aber diese Anlage übt auf die Besuchenden einen eigenthümlichen Zauber aus. Vor allen Dingen hat man von hier die schönste Ansicht der Wartburg, die von hier aus […] grösser und höher erscheint als von anderen Seiten.

In der Zeitschrift Gartenflora schreibt Hermann Jäger:

… wenn wir die Ziergärten als symmetrische und landschaftliche unterscheiden, so sind die letzteren eigentlich sämmtlich "wilde Gärten", sollten es wenigstens sein. Die darin verwendeten Pflanzen sollten das Ansehen haben, als hätte sie die Natur in ihrer das Schöne hervorbringenden schöpferischen Kraft selbst ausgestreut. … Regel: man gebe jeder dazu geeigneten Pflanze Platz, wo sie in ihrer malerischen Schönheit voll zur Geltung kommt und ordne das Einzelne so an, daß es sich gruppiert und in gewissen beschränkten Grenzen ein Ganzes bildet, gleichsam aus einem Gusse erscheint …

1909 wird das Denkmal für Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach enthüllt. Der Standort am Rand des Kartausgartens ist nicht zufällig: Unter Carl Alexander wurden die erheblichen Vergrößerungen des Gartens in westliche und südliche Richtung veranlasst und von seinem Hofgärtner Jäger umgesetzt. Vom Standort des Denkmals hat Carl Alexander aber auch für immer seine Wartburg direkt im Blick. Die Wartburg war das bauliche Lieblingsobjekt des Großherzogs. Er war es, der die Wartburg im 19. Jahrhundert aufwendig restaurieren ließ und als nationalgeschichtlichen Erinnerungsort wiedererweckte. Das Standbild wurde von dem aus Eisenach stammenden Künstler Hermann Kurt Hosaeus (* 1875, † 1958) geschaffen. Die Rahmung des Carl-Alexander-Denkmals durch eine geschnittene Lindenhinterpflanzung erfolgte in etwa zeitgleich mit der Einweihung des Denkmals.

Der südliche Kartausgarten als Landschaftsgarten

Nachdem der alte Kartausgarten rund um das Gärtnerhaus bereits um den westlichen, unteren Bereich entlang des Sengelsbachs erweitert wurde, sollte nun auch eine Verbindung mit der Landschaft in südliche Richtung realisiert werden.

Bereits im Jahr 1873 erstellt der Hofgärtner Jäger neue Pläne zur Vergrößerung des Kartausgartens und damit zur Anbindung an das Johannistal. Zur Erweiterung des Kartausgartens wird ein privater Garten angekauft. Bis zur Gestaltung dieses vormals Kutschbach´schen Gartens und dessen Vereinigung mit den Kartausgarten, dauert es jedoch noch über 7 Jahre, da der Verkauf erst 1880 endgültig abgeschlossen werden kann. Die am südlichen Eingang in den Kartausgarten beginnende Promenade in das Johannistal wurde 1910 nach Feodora (* 1890, † 1972), der letzten Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, benannt.

Die noch heute vorzufindenden Grundzüge der Gestaltung des südlichen Kartausgartens wurden am Ende des 19. Jahrhunderts festgelegt. Wichtig war hier nicht die kleinteilige Präsentation von seltenen exotischen Pflanzen, sondern die Gestaltung harmonischer, landschaftlicher Partien. Der südliche Kernbereich wird von einer großen, offenen Wiesenfläche geprägt. Die Sichtachsen reichen über das Villenviertel bis hin zur Wartburg. Die südöstliche Ecke wird als Eichenwald gestaltet, um einen sanften Übergang zum eigentlichen großherzoglichen Wald zu schaffen.

Die obere Königswiese, der höchste Bereich des Kartausgartens, erinnert mit ihrer Namensgebung an zu den forstlichen Klassikern gehörenden bedeutenden Forstwissenschaftler Gottlob König (* 1779, † 1849). König verfasste verschiedene Grundlagenwerke, war Mitbegründer der Dendrometrie (Waldmesslehre) sowie der Forstästhetik und führte den Begriff der Waldpflege ein. Als Gründungsdirektor der, bis 1915 bestehenden, Forstlehranstalt (später Forstakademie) Eisenach läßt König die Lehrforste rund um die Wartburg mit ihren Felsen, Schluchten und Tälern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so gestalten und durch Wege erschließen, daß sie zu einem großen, nützlichen und schönen Waldpark verschmelzen.

Seit 1930 ist der Kartausgarten in städtischem Besitz. 1950 erfolgt die Aufstellung der Hirschplastiken, die der Hirschwiese ihren Namen gibt und um 1960 wird der Heidegarten angelegt.