Das Ende der Wartburg-Esel

Bild Thüringen

Der Sage nach war es ein treuer Eseltreiber, der am 24. Juni 1270 der Thüringer Landgräfin Margaretha (* 1237, † 1270) zur Flucht von der Wartburg verhalf. Seit der Gründung der Burg wurde mit Eseln Vorräte, Wasser und anderes Material den Burgberg hinauf geschafft. Die Bewohner des Ehrensteigs, einer Art Wirtschafts- und Versorgungshof der Wartburg am Fuße des Berges im Westen der Stadt Eisenach, waren für diese Aufgabe zuständig. Im Gegenzug waren sie von Abgaben und Steuern befreit. Einen Stall hatten die Esel auch im vorderen Burghof. 1487 wurden die Eseltreiber erstmals schriftlich erwähnt. Sie hatten einen Raum in der Burgvogtei — das heute noch zu besichtigende Eseltreiberstübchen. Der letzte noch auf der Wartburg angestellte Eseltreiber war der Hofknecht Andreas Laufer (* 1788, † 1861). Burghauptmann Bernhard von Arnswald setzte ihm ein Denkmal.

Nachdem 1871 eine Fahrstraße zur Wartburg angelegt worden war, ging spätestens ab 1880 die Zeit der Eseltransporte zunehmend spürbar ihrem Ende entgegen. Sie wurden durch Pferdefuhrwerke und später Lastkraftwagen ersetzt. Besucher wurden immer häufiger mit Bussen oder Taxis transportiert. Sogar der Bau einer Seilbahn wurde geplant, um der wachsenden Zahl der Besucher Herr zu werden. (Der Bau einer Seilbahn wurde nach dem Jahr 2000 wieder aufgegriffen, allerdings mit Hinweis auf den Status als Weltkulturerbe nicht weiter verfolgt.)

Eisenacher Stadtführer hatten zuvor schon eigene Esel für den Ritt auf die Wartburg angeschafft, um Besuchern eine zusätzliche Attraktion zu bieten. In Begleitung eines Fremdenführers konnten Gäste vom Marktplatz über den Schloßberg und später, nach dem Bau der Straßenbahn ins Mariental, vom Kartausgarten durch das Helltal aus zur Burg hinaufreiten. 1860 war am Schloßberg gegenüber dem Alten Friedhof durch die Brüder Zimmermann eine Eselstation eingerichtet worden. Fritz Reuter (* 1810; † 1874), der zuerst am Schloßberg wohnte bevor er seine eigene Villa im Helltal erbauen ließ, schrieb 1863 an einen Freund von den geduldigen Kreuzträgern, die mit jungen krinolinebeschwingten Thüringerinnen auf die Berge in sinnigen Eselsgedanken, gesenkten Ohres, mit ihrer süßen Last trippeln. Auch wurden nicht nur Ritte zur Wartburg und zurück angeboten, sondern auch durch die Umgebung, etwa von Wilhelmsthal zur Hohen Sonne.

Aber dieses Geschäft erwies sich nicht als tragfähig. Übrig blieb lediglich das Eselreiten auf die Wartburg für Kinder von der Eselstation über einen extra angelegten Pfad. Familie Hölzer vom Ehrensteig, deren Urgroßvater Louis Remmler 1899 vom Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach das Privileg erteilt bekam, den 400-Meter-Ritt zur Burg anzubieten und auf eigene Kosten eine Eselstation mit drei Stück guten spanischen Thieren an schattiger Stelle unterhalb der Wartburg zu errichten, betrieb das Geschäft als Saisongeschäft von Ostern bis in den Herbst noch über vier Generationen hinweg und wurde so zu einem bekannten Eisenacher Traditionsunternehmen.

Postkarte mit Wartburg und Wartburg-Esel aus dem Verlag Louis Remmler

2020 mußte Michael Hölzer, der das Geschäft mit der Saison 2007 vom Vater Jürgen übernommen hatte, aufgeben. Immer schärfere Bestimmungen zu Tierschutz- und  Haftungsfragen sowie stetig sinkende Einnahmen erlaubten keinen wirtschaftlichen Betrieb mehr; die Corona-Pandemie gab dem Unternehmen endgültig den Rest.

Souvenir-Esel aus Zinn

Um die Tradition zu retten, wurde nach Alternativen gesucht. Erfolglos. Auch sammelte der Verein zur Erhaltung des Südviertels fast 2.000 Unterstützer-Unterschriften — MP Bodo Ramelow lies die Übergabe des Unterschriften-Ordners platzen.

Am 1. Februar 2022 zerstörte ein bei einem Sturm umgestürzter Baum das Kassenhäuschen — der Abriß der Ruine wurde nur noch zur Frage der Zeit.

Auch Burghauptmann Franziska Nentwig (56) sieht sich nicht zuständig: Tragtiere sind keine Spielzeuge. Eine ganzjährige Haltung, damit im Sommer Kinder auf Eseln fotografiert werden und ein paar Meter reiten können, ist nicht unsere Kernaufgabe. Als Museum und Unesco-Welterbe habe man einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Jetzt wolle man entlang der einstigen Eselstrecke neue, der Zeit entsprechende Anziehungspunkte schaffen: Der Eselspfad soll als Wissens- und Spielepfad weiter bestehen!

Angelika Domröse 1959