Königin Reinschwig

Ganz eigenthümlich und selbstständig, ohne ihr einen Halt in verwandten thüringischen Sagen zu bieten, führt die thüringische Chronikensage eine Königin ein, Reinschwig geheißen, und bringt sie mit dem Fegefeuersitz im Hörseelenberge in Verbindung. Diese Königin soll um das Jahr 1143 in England gelebt und mit ihrem Gemahl eine sehr glückliche Ehe geführt haben. Die Geschichte weiß von einer Königin dieses Namens nichts, die Chronikensage aber berichtet von ihr schlicht und treuherzig. „Als ihr Herr König in Engelland, (der ihr aus der Massen lieb war, denn er sie aus einem geringen Geschlechte zur Königin, um ihrer Tugend willen, erwehlet hatte) gestorben war, wollte sie auch der Treue, so er an ihr gethan, nicht vergessen, gab viel Almosen und ließ viel Seelmessen lesen, der Meinung, ihren Herrn damit aus dem Fegfeuer zu erlösen. Als sie nun solches mit großer Andacht eine Zeitlang getrieben, kömmt des Nachts eine Stimme zu ihr, die saget, es wäre ein Berg, der läge eine Meil Weges jenseit Eisenach, darin würde die Seele ihres Herrn gequälet. Darauf rüstete sie sich mit ihren Jungfrauen zu, und zog in Thüringen bis an denselbigen Berg, und bauete darunter eine kleine Kirche, und weil sie hörete ein jämmerlich Geschrei der Seelen in diesem Berge, und des Teufelsgespensts, so darüber erschienen, (damit ist das wüthende Heer gemeint) nannte sie den HöreSeelBerg, daher er auf die heutige Stunde genannt wird der Hörselberg, und unter dem Berge bauete sie ein Dörflein, das nannte sie Satanas-Stätte, (wird nunmehr Sattelstedt genannt) darum, daß Satanas und die bösen Geister ihnen oftmals erschienen waren, wie auch andere Dörfer, so darum gelegen, als Burla, Hostorofeld und dergleichen.“ – „Es hat auch ein Kloster auf St. Petersberge, vor Eisenach in der alten Stadt gelegen, das war von Gebäuden sehr geringe und von der Königin Reinschwig um diese Zeit erstlich angefangen.“ – „Als die Königin gestorben, hat sie ihren Jungfrauen viel Geld und Gut gelassen, mit demselbigen zogen sie gen Eisenach, in St. Nicolai Kloster, zur Landgräfin Adelheit, nahmen den Orden und Nonnenkleid an, und wohneten da etliche Jahre.“

Dieß die Chronikensage von der Königin Reinschwig oder Reinschweig. Die erwähnte Adelheit war die Tochter Ludwigs I., des ersten Landgrafen von Thüringen, und die vierte und jüngste Schwester Ludwig II. des eisernen. Sie wandelte einen Bauernhof, den sie gekauft, in das später berühmt gewordene St. Nicolaikloster um, und wurde dessen erste Aebtissin.

Der Name des heutigen Dorfes Sättelstedt hat in ältesten Zeiten nach Urkunden Satinstete gelautet. Sein altes Kirchlein wurde im dreißigjährigen Kriege von einer Wrangelschen Streifpartei niedergebrannt. Eine Sage läßt vom Innern des Hörseelberges, oder von seiner Kluft aus einen unterirdischen Gang bis unter die Kirche zu Sättelstedt führen. Ein Hostorofeld giebt es jetzt nicht, der gemeinte Ort heißt jetzt Hostrungsfeld, in der Volkssprache aber stets Asterfeld, der nach dem Namen der mythischen Eostar, der Erdmutter, hinweißt, wie denn auch diese Gegend der Ortsnamen viele bietet, aus denen auf frühen Elementargötterkult sich schließen ließe. Dahin gehören neben Hostrungsfeld Asbach, Sonneborn, Metebach, Teutleben, Wutha u. A.

(Ludwig Bechstein, TSB)