Eisenach, Stadtgeschichte
4. Jahrtausend v. Chr. bis 1150
Die ältesten Siedlungsspuren reichen etwa 5500 Jahre zurück. Bei den Eisenacher Ziegeleien westlich der Mühlhäuser Chaussee fanden sich Spuren der Bandkeramiker. Sie lebten in rechteckigen Pfostenhäusern. Weitere archäologische Funde aus dem Bereich der ehemaligen Tongruben weisen darauf hin, dass auch hier Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden. Im 2. Jahrtausend v. Chr. besiedelten Kelten das Eisenacher Gebiet.
Ende des 1. Jahrtausends v. Chr. siedelten sich die germanischen Hermunduren in der Region an, ihre und die keltischen Siedlungen lagen an den Flüssen bei Hörschel, Stregda, Stockhausen und Sättelstädt. Das Thüringer Museum in Eisenach birgt die Artefakte dieser Grabungen.
Bis 531 gehörte das Siedlungsgebiet zum Königreich der Thüringer. In der älteren Forschung wurde angenommen, die in der Spätantike in den Quellen erscheinenden Thüringer („Toringi“) seien zum Teil aus Gruppen der Hermunduren hervorgegangen, doch wird dies inzwischen bestritten. Nach Zerschlagung des Thüringerreichs durch die Franken sollen es fränkische Siedler gewesen sein, die sich im 8. Jahrhundert am Ufer der Hörsel nahe dem Petersberg niederließen. Diese Siedlung gilt als Ursprung der heutigen Stadt Eisenach.
Der Sage nach ließ Ludwig der Springer im Jahr 1067 die Wartburg errichten. Zu jener Zeit versuchte das Geschlecht der Ludowinger, dem der Graf entstammte, durch den Bau von Burgen seine territoriale Macht zu festigen und auszubauen. Im Jahre 1080 wurde die Wartburg erstmals von dem sächsischen Chronisten Bruno von Merseburg urkundlich erwähnt. Der Name Eisenach erschien erstmals im Jahre 1150 in einer schriftlichen Quelle, als ein Ritter Berthold de Isenacha beerdigt werden sollte.
Von der Civitas zur Hauptresidenz der Landgrafen von Thüringen (bis Mitte 13. Jahrhundert)
Eisenach wurde in den 1180er Jahren als landgräfliche Civitas nahe einem bereits bestehenden Dorf am Petersberg erstmals urkundlich erwähnt. Die Stadt Eisenach geht in ihrer Entstehung auf drei (zoll-)rechtlich getrennte Marktsiedlungen zurück: den Sonnabendmarkt (heute Karlsplatz), den Mittwochmarkt (am Frauenplan) sowie den Montagsmarkt auf dem heutigen Marktplatz. Die Lage der Stadt an der Kreuzung von Fernhandelsstraßen ermöglichte die rasche Entwicklung von Handel und Gewerbe, die durch eine seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandene Stadtmauer geschützt wurden. An diese Befestigungsanlage erinnert neben Mauerabschnitten und Turmresten das Nikolaitor, eines der ältesten Stadttore Thüringens.
Neben dem Recht, die Stadtbefestigung anzulegen, erhielt Eisenach als Merkmale der Stadtentwicklung das (eingeschränkte) Verwaltungsrecht, das Recht, Märkte abzuhalten und Steuern einzuziehen, ein Stadtwappen und das Münzrecht. Auf einen planmäßigen Aufbau der Stadt deuten die parallel und rechtwinklig verlaufenden Gassen, die Platzierung der Kirchen und die Anlage der Handwerkerviertel hin.
Ende des 12. Jahrhunderts wurde die Wartburg Hauptresidenz der Landgrafen von Thüringen. Innerhalb des ludowingischen Herrschaftsgebietes nahm Eisenach eine zentrale Lage ein, es war Bindeglied der hessischen und thüringischen Gebietsteile. Der Hof des Landgrafen Hermann I. von Thüringen galt im Reich als Zentrum des Minnesangs und der Dichtkunst. 1206 soll der legendäre Sängerkrieg auf der Wartburg stattgefunden haben.
Ab 1211 lebte Elisabeth von Thüringen als Ehefrau des Landgrafen Ludwig IV. auf der Wartburg. Sie trat in Eisenach als Wohltäterin auf und stiftete unter anderem ein Hospital, in dem sie sich der Armen, Kranken und Aussätzigen widmete. Nach dem Tode Ludwigs IV. verließ Elisabeth 1228 die Wartburg und wurde 1235 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen.
Ludwigs Nachfolger Heinrich Raspe stiftete ihr zu Ehren das Predigerkloster in Eisenach. 1246 bestätigte Heinrich Raspe der Stadt Eisenach ihre Rechte und Freiheiten. 1247 starb er auf der Wartburg und wurde in Eisenach beigesetzt.
Bedeutung Eisenachs
Mit der Nürnberger Straße (über Meiningen und Coburg), der Salzunger Straße, der Fuldaer Straße, der Mühlhäuser Straße und der Langensalzaer Straße kreuzten sich hier die wichtigsten Heer- und Handelsstraßen Westthüringens. Mehrere Siechenhöfe im Umkreis der Stadt sollten die Einschleppung von Seuchen verhindern. Beim heutigen Bahnhof blickte man auf das Hochgericht.
Stadtmauer, Tore + Türme
- Gebaut bis etwa 1200
- Handwerker aus anderen Städten (Mühlhausen) bauten mit (Rechnungen in Archiven, deswegen auch ziemlich genaue Datierung); identischer Turm zum Storchenturm in Mühlhausen: Rabenturm
- Zünfte erhielten genaue Vorgaben, welche Zunft welchen Abschnitt zu errichten hatten
- Bauern aus dem Umland waren zur Anlieferung der Steine verpflichtet; pro Tag wurden ca. 50 Pferdefuhrwerke Steine verarbeitet
- Mauer 7,20 m hoch, 5 m breit (läßt sich über die verwendeten Steine ermitteln)
- Schalenbauweise ("Sandwich"): hartes Material, weiches Material, hartes Material, ... um witterungsbedingte Verwerfungen zu verhindern
- Auf der Mauer "Rollsteine"
- Alle Tore hatten einen Zwinger-Vorbau (Schleuse) zwecks Erhebung der Torsteuer (bis 1833, ab da wurden dann die Stadtmauern bedeutungslos)
- Storchenturm 18 m hoch; alle Türme mit Fachwerkaufbau Graben im Storchenturmbereich 12 m breit und 6 m tief
- Innerhalb der Türme keinerlei Leitern oder Treppen (Leitern konnten Angreifern in die Hände fallen), Besteigung des Turmes mit Seilzügen
- Türme stehen "aus der Mauer heraus"; Angreifer können ins Kreuzfeuer genommen werden; angreifende Haufen werden taktisch getrennt
- Entfernung zwischen den Türmen: "max. 1 tödliche Armbrustschußweite"
- Türme auch im Frieden ständig besetzt: Brandschutz
- Gefangene in Türmen wurden durch Angehörige verpflegt, deswegen rel. gute Ernährung, andernfalls wäre ein Überleben der Gefangenen kaum möglich gewesen (Fritz Erbe: 7 1/2 Jahre)
- Zünfte müssen bestimmte, genau vorgegebene Waffen bereithalten
- Kriege begannen üblicherweise mit dem Schicken von Fehdebriefen (lange Vorlaufzeit)
- Bürger müssen für Belagerungsfall Vorräte für 2 Jahre vorhalten; wer diese Auflage nicht einhalten konnte wurde im Kriegsfall aus der Stadt geschickt
- Stadttore wurden bei Sonnenuntergang geschlossen und bei Sonnenaufgang geöffnet
- Stadtschreiber stand mit einem genormten Dokument vor dem Rathaus. Wenn das Dokument mangels Licht nicht mehr lesbar war, wurde ein Signal an den Küster gegeben, 3 Glockenschläge waren dann das Signal zum gleichzeitigen Schließen aller Stadttore
Erbfolgekrieg, Wettinerherrschaft, Stadtrecht (Mitte 13. Jahrhundert bis Ende 14. Jahrhundert)
Mit Heinrichs Tod erlosch das Geschlecht der Ludowinger, was zum thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg zwischen dem Enkel Hermanns I., dem Meißener Markgrafen Heinrich der Erlauchte, dem Heinrich Raspe 1243 die Eventualbelehnung im Falle seines Todes zugesichert hatte, und Sophie von Brabant, einer Tochter Ludwigs IV. führte. Nach Kriegsende (1264) fiel Eisenach an den Wettiner Heinrich den Erlauchten. Als unmittelbare Folge dieses Krieges gingen die seither als Landgrafschaft Hessen bezeichneten Gebiete und andere Herrschaftsteile verloren.
Eisenach hatte bereits unter Heinrich Raspe eine städtische Satzung erhalten, die nur mittelbar in der Handfeste von 1283 überliefert ist. Zugleich war die Stadt in den Rang eines Oberhofs“ erhoben worden. Damit bildeten alle Städte der Landgrafschaft eine Stadtrechtsfamilie. Sie hatten die Eisenacher Rechtsgrundsätze zu übernehmen und sich nach ihnen zu richten. 1286 verlieh Landgraf Albrecht der Stadt das Recht, zwei Bürgermeister zu wählen. 1293 wurde erstmals urkundlich eine gepflasterte Straße („der steinerne Weg“) in Eisenach erwähnt.
Ab 1306 kämpfte die Stadt darum, Freie Reichsstadt zu werden. Der Kampf gegen die wettinischen Stadtherren führte zur Zerstörung der Burg Klemme und der Wehrtürme der Marienkirche. Nach einer vergeblichen Belagerung der Wartburg ergab sich Eisenach 1308 dem Landgrafen Friedrich dem Freidigen. Als Reparation mussten die Bürger der Stadt die zerstörte Burg Klemme und die Türme der Marienkirche wieder aufbauen.
In den Jahren 1333 bis 1362 wurden die Eisenacher Stadtwillküren niedergeschrieben, eine vom Eisenacher Rat verfasste Sammlung örtlicher Gesetze. Der Priester und Stadtschreiber Johannes Rothe verfasste 1387 die heute verschollenen Eisenacher Rechtsbücher als Kettenbücher, die als Grundlage für das von Johannes Purgold Anfang des 16. Jahrhunderts verfasste Rechtsbuch dienten. Johannes Rothe war es auch, der auf der Grundlage der um 1395 von Dominikanermönchen des Eisenacher Predigerklosters verfassten Chronica Thuringorum die Thüringische Landeschronik schrieb.
Zur Unterhaltung wurden in der Stadt Eisenach Mysterienspiele oder Moralitäten mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Landgraf Friedrich der Freidige soll sich 1321 bei der Eisenacher Aufführung von Das Spiel von den fünf klugen und fünf thörichten Jungfrauen derart erregt haben, dass er einen körperlichen und geistigen Zusammenbruch erlitt und bis zu seinem Tode in geistiger Umnachtung lebte.
Juden siedelten sich vermutlich bereits im 12. Jahrhundert in Eisenach an. Als erster Hinweis auf eine mögliche jüdische Gemeinde um 1235 gilt die Erwähnung des Jechiel ben Jakob aus Eisenach, Verfasser eines snagogalen Gedichts und zweier Klagelieder. Sanuel ben Jakob korrespondierte nachweislich im 13. Jahrhundert über religiöse Fragen mit Meir von Rothenburg. Ende des Jahrhunderts sollen die Juden in der Judengasse gelebt haben, die 1342 bei einem Stadtbrand stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, später in der Loeberstraße. Aus den Jahren 1293 und 1323 sind weitere namentliche Nennungen überliefert. 1283 wurden im Stadtrecht Bestimmungen mit Bezug auf jüdische Einwohner festgelegt. Während der Pestzeit ab 1348 kam es zu Übergriffen auf Juden, nach 1411 wurden sie aus der Stadt vertrieben. 1510 wurde ihnen für einige Jahre der Handel, aber nicht die Niederlassung in Eisenach gestattet.
Großer Stadtbrand, Pest, politischer und wirtschaftlicher Niedergang (ab 1342)
1342 zerstörte ein großer Stadtbrand fast sämtliche Gebäude der Stadt; mit dem Rathaus am Markt verbrannten die städtischen Urkunden. 1349 wurde die Stadt von einer ersten Pestepidemie heimgesucht, eine weitere im Jahr 1393 forderte 3.000 Opfer in der Stadt.
1406 verlor Eisenach durch den Tod des Landgrafen Balthasar die Hofhaltung und die landgräfliche Verwaltung und damit ihren Status einer landgräflichen Residenz. Dies führte schließlich zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt. Bei der Aufteilung der landgräflichen Besitztümer 1445 fiel Eisenach an Wilhelm III., der um 1450 die Eisenacher Münzstätte schließen ließ. Nach dem Tode von Wilhelm III. fiel Eisenach im Zuge der Leipziger Teilung 1485 an die Ernestiner.
Reformation, Aufenthalt Luthers, Bauernkrieg (16. Jahrhundert)
1498 kam Martin Luther als Lateinschüler zum ersten Mal nach Eisenach. Am 2. Mai 1521 predigte er auf der Rückreise vom Wormser Reichstag in der Georgenkirche. Nachdem er mit der Reichsacht belegt worden war, wurde er am Folgetag auf der Wartburg als „Junker Jörg“ untergebracht und so vor möglichen Verfolgern versteckt. Er blieb dort bis zum 1. März 1522 und übersetzte das Neue Testament aus dem griechischen Urtext ins Deutsche; es wurde im September 1522 veröffentlicht („Septembertestament“).
Mit dem für 1523 notierten Eintreffen des aus Basel stammenden Predigers Jacob Strauß begann der Eisenacher Zinswucherstreit – ein trotz des persönlichen Eingreifens von Luther und Melanchton rasch an Schärfe zunehmender Konflikt, in dessen Folge Eisenacher Bürger zunächst die Zahlung von Zins bei Geldgeschäften verweigerten. In der weiteren Folge fielen Einwohner tumultartig über die vorhandenen kirchlichen Institutionen her, fast alle Kirchen und Klöster wurden schwer verwüstet oder niedergebrannt.
Am 7. Mai 1525 traf der Werrahaufen, ein Heerhaufen aufständischer Bauern im Bauernkrieg, vor der Stadt ein, um Unterstützung durch die Stadtobrigkeit und die Bevölkerung zu erwirken. Es gelang dem Stadtkommandanten, die Mehrzahl der arglosen Anführer in die Stadt zu locken, worauf sie sofort verhaftet und nach einem Schauprozess auf dem Markt hingerichtet wurden. Noch heute erinnert ein Kreuz im Pflaster vor der Kirche daran. 17 Sympathisanten aus der Eisenacher Bevölkerung teilten dieses Schicksal Wochen später, nachdem Kurfürst Johann der Beständige wieder Herr der Lage geworden war.
1528 wurde Eisenach im Zuge der Reformation evangelisch, erster Superintendent war Justus Menius. In Thüringen war zu dieser Zeit die Täuferbewegung stark verbreitet, einer der bedeutendsten Anhänger in Eisenach war Fritz Erbe. Er wurde 1533 gefangen genommen und war sieben Jahre im Storchenturm inhaftiert. 1540 wurde er in das Verlies im Südturm der Wartburg verlegt, wo er 1548 starb.
Erneut Residenzstadt (1596), Stadtbrände (1617, 1636), Pest (1626), Hexenprozesse
In den 1550er Jahren errichtete Hanns Leonhardt als Stadtbaumeister und Architekt zahlreiche prächtige Bürgerhäuser im Baustil der Renaissance; der einstige Weinkeller, heute Rathaus, der St.-Georgs-Brunnen auf dem Markt und das Lutherhaus blieben erhalten. Ein derart repräsentatives Stadtzentrum erleichterte es 1596 Johann Ernst, Herzog von Sachsen-Eisenach, seine Residenz von Marksuhl nach Eisenach zu verlegen. Verheerende Stadtbrände in den Jahren 1617 und 1636, die Drangsale des Dreißigjährigen Krieges und die 1626 eingeschleppte Pest schädigten die Stadt schwer und bremsten den wirtschaftlichen Aufschwung erneut.
Eisenach mit den Ortsteilen Madelungen, Neukirchen und Stregda war 1615-1681 von Hexenverfolgung betroffen. Acht Frauen und ein Mann gerieten in Hexenprozesse, vier wurden hingerichtet, zwei Frau widerstanden der Folter und legten kein Geständnis ab, wurden aber wie der Mann des Landes verwiesen.
Am 21. März 1685 wurde Johann Sebastian Bach in Eisenach geboren und in der Georgenkirche getauft. Sein Vater Johann Ambrosius Bach war Leiter der Ratstrompeterei. In Eisenach wirkten die Barockkomponisten Johann Pachelbel und Johann Christoph Bach als Organisten sowie Georg Philipp Telemann als Hofkapellmeister.
Sachsen-Weimar (1741), Kulturstadt
Als Residenzstadt, bis 1757 mit fürstlicher Hofhaltung, wurde Eisenach im 18. Jahrhundert mehr und mehr eine Kulturstadt. Als architektonisches Symbol dieser neuen Blütezeit gilt das von 1742 bis 1751 am Markt erbaute Stadtschloss. 1741 fiel das Herzogtum Sachsen-Eisenach vertragsgemäß mit dem Tode des Herzogs Wilhelm Heinrich an Ernst August I. von Sachsen-Weimar. 1777 weilte Johann Wolfgang von Goethe auf Einladung des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach erstmals auf der Wartburg.
In den Zirkeln der Julie von Bechtolsheim, Goethes „Seelchen“ und Wielands „Psyche“, trafen sich am Jakobsplan die angesehensten Geister der Zeit: Neben Goethe und Wieland der Eisenacher Philosoph Christian Schreiber, Friederike von Schardt, die Schwägerin der Charlotte von Stein, Madame de Staël, Benjamin Constant, Herzog August von Gotha, Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und dessen Gemahlin, Carl Friedrich, der damals regierende Großherzog von Weimar und dessen Gemahlin, Maria Pawlowna, Herzog Bernhard von Weimar, Moritz August von Thümmel, Friedrich de la Motte Fouqué, Johann Friedrich Rochlitz, Karl von Müffling, General Wilhelm von Dörnberg, Graf Johann von Thielmann, Aaron Burr, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika, August von Kotzebue, Graf Otto von Loeben, Johann Benjamin Erhard, und Graf Dorotheus Ludwig von Keller und viele andere. Dort traf ein, was Madame de Staël einst sagte: „Alle wahrhaft gebildete Menschen sind Landsleute“.
Napoleon, Kriegsschäden, Typhusepidemie (1807 bis 1814)
Im Jahre 1807 rastete Napoleon I. in der Stadt. Während der napoleonischen Kriege kam es am 1. September 1810 zu einem tragischen Unfall: Bei der Schießpulverexplosion eines französischen Munitionstransports mitten durch Eisenach gab es 70 Todesopfer und schwere Schäden in der Stadt. Daran erinnert der 1817 errichtete Schwarze Brunnen in der Georgenstraße, der zu seinem hundertsten Jahrestag sein heutiges Aussehen erhielt. Unzählige Opfer forderte der Rückzug der geschlagenen französischen Armee, als dessen Folge eine Typhus-Epidemie in der Stadt ausbrach. Während des Feldzuges weilte 1814 der russische Zar Alexander I. kurz in Eisenach.
Wartburgfest, wirtschaftlicher Aufschwung, Industrialisierung (19. Jahrhundert)
Im Oktober 1817 trafen aus Anlass des vierten Jahrestags der Völkerschlacht bei Leipzig rund 500 Studenten und Professoren zum ersten Wartburgfest zusammen, um 300 Jahren Reformation zu gedenken und ein einheitliches und freies Deutschland zu fordern. Ein weiteres Wartburgfest folgte 1848. Seit 1850 feierte der Wingolfsbund alle zwei Jahre sein Wartburgfest in Eisenach. 1840 wurde der Physiker und Sozialreformer Ernst Abbe in Eisenach geboren.
Wirtschaftlich, baulich und kulturell entwickelte sich die Stadt nach 1800 bedeutend schneller als zuvor. Die Kaufleute Eichel, Pfennig und Streiber gründeten die ersten Industriebetriebe; es entstanden Spinnmühlen, Bleiweiß- und Farbenfabriken und mit der Kammgarnspinnerei ein erster Großbetrieb. Bedeutung hatte auch das Gerberhandwerk. Die von Eisenach ausgehenden Verkehrswege wurden als bequeme Fahrstraßen ausgebaut und schufen die Verbindung zum Eisenacher Oberland in der Rhön, einem durch den Wiener Kongress zugesprochenen Gebietsteil der säkularisierten Fürstabtei Fulda.
Die Biedermeier-Zeit begünstigte die Anlage von Landschaftsparks; so legte Kaufmann Christian Friedrich Roese auf dem noch kahlen Metilstein einen Waldpark an. Zur selben Zeit entstanden die Gärten am Pflugensberg und an der Spicke, der Kartausgarten, der Clemdagarten und Pfennigs Garten. Die Gründung der Großherzoglich-Sächsischen Forstlehranstalt durch Forstrat Gottlob König im Jahre 1830 setzte diese Tendenz fort. Rings um die Stadt entstanden erste Restaurants und Vergnügungsplätze, in der Stadt die ersten Caffeehäuser und Ballsäle. In den zeittypischen Gesellschaftssalons, in Eisenach die Clemdagesellschaft für die „gebildeten Stände“, trafen sich höhere Beamte, Unternehmer, Offiziere, aber auch der Landadel zu kulturellen Gesprächen, Musik und Unterhaltung.
Im Jahre 1820 errichtete der Architekt Wilhelm Sältzer in Eisenach eine Ziegelbrennerei, die später sein Sohn Eduard Sältzer ausbaute und die durch die Einführung des Hoffmannschen Ringofens Maßstäbe für eine wirtschaftliche Herstellung des in der Gründerzeit dringend benötigten Baumaterials in Thüringen setzte. 1847 folgte der Anschluss an die Thüringer Bahn nach Gotha, Erfurt, Weimar, Halle und Leipzig im Osten. Die Strecke wurde 1849 nach Bebra in Hessen verlängert, so dass Bahnverbindungen nach Frankfurt am Main und Kassel bestanden. Als letzte Bahnstrecke wurde 1858 die Werrabahn eröffnet, die über Meiningen und Coburg an den Main führte. Im heutigen Ortsteil Wartha begann westlich von Eisenach die 1907 eröffnete Bahnstrecke Schwebda–Wartha nach Eschwege, die 1969 stillgelegt wurde.
1859 wurde der Deutsche Nationalverein im Gasthof Phantasie gegründet. August Bebel und Wilhelm Liebknecht gründeten im Gasthaus Goldener Löwe 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, aus der 1875 die SPD hervorging, und verfassten das Eisenacher Programm. Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt führte um 1870 zur Gründung weiterer Fabriken, der Herdfabrik Gebrüder Demmer, der Schuhleistenfabrik Hermann Berger, der Kunsttöpferei August Saeltzer, der Farbenfabrik Arzberger, Schöpff & Co., der Fensterfabrik Wilk & Oehring, der Klosterziegelei Eisenach Stein & Co. sowie 1873 der Petersberger Brauerei Eisenach des Kaufmanns Albert Erbslöh, die später in der Aktien-Brauerei Eisenach aufging und heute als Wartburg Brauerei Eisenach GmbH besteht.
1896 wurde die Fahrzeugfabrik Eisenach gegründet, mit der die Eisenacher Automobilindustrie ihren Anfang nahm. Zur Versorgung der Stadt entstand 1862 eine (Leucht-)Gasanstalt, 1874 ein Wasserwerk, 1887 das Post- und Telegraphenamt und 1892 der städtische Schlachthof sowie das Elektrizitätswerk. Dieses ermöglichte ab 1897 den Betrieb der Eisenacher Elektrischen Straßenbahn. Zahlreiche Banken und Versicherungen richteten um 1900 in der Innenstadt Filialen ein. Bereits seit 1822 bestand in Eisenach eine Infanterie-Garnison, die Truppenstärke wurde 1831 mit 165 Mann beziffert. Auf Betreiben der Stadtverwaltung wurde 1869 mit dem Bau der Städtischen Kaserne in der Hospitalstraße begonnen. Dort war von 1871 bis 1914 das II. Bataillon des 5. Thüringer Infanterieregiments Nr. 94 stationiert. 1899 wurde das Denkmal des Wingolfsbundes vollendet, 1902 das Burschenschaftsdenkmal eingeweiht, 1904 der heutige Hauptbahnhof und 1907 das Bachhaus eröffnet. 1908 wurde das erste Lichtspieltheater eröffnet und 1913 entstand ein Tiergarten am Wartenberg. Eisenach wurde um 1900 Tagungs- und Kongressstadt, die Kurbad-Eisenach-Gesellschaft wurde 1905 gegründet, es entstanden zahlreiche Hotels und Pensionen, ein Spielcasino, Bäder, Parkanlagen und Sanatorien.
Zweite jüdische Gemeinde (ab 1804)
Mit der Erlaubnis für den thüringischen Hoffaktor Michael Rothschild 1804 setzte eine bescheidene jüdische Zuwanderung ein. In den 1820er-Jahren kamen aus den Landgemeinden, den umliegenden „Judendörfern“ Lengsfeld, Gehaus, Herleshausen, Nesselröden, Geisa weitere Familien. Doch erst zu Beginn der 1860er Jahre kam es zur Gründung einer kleinen Gemeinde, die 1864 72 Mitglieder zählte, 1877 bereits 287. Als erster Lehrer der jüdischen Gemeinde wurde Jacob Heidungsfeld angestellt, der zudem als Kantor bis zu seinem Tod 1897 arbeitete. 1865 wurde die Israelitische Religionsschule gegründet, 1868 eine Mikwe eingerichtet (Clemensstraße 5).
Eisenach war von 1846 bis 1876 unter Rabbiner Dr. Mendel Heß und ab 1912 Sitz des Landesrabbinates Sachsen-Weimar-Eisenach, das die Gemeinden Apolda, Aschenhausen, Eisenach, Gehaus, Geisa, Jena, Ilmenau, Stadtlengsfeld, Vacha und Weimar umfasste. Von 1898 bis 1930 war Dr. Josef Wiesen Rabbiner, ab 1912 in Eisenach. Er starb im November 1942 im Ghetto Theresienstadt.
Die Eisenacher Juden betätigten sich zunächst im Vieh-, Tuch- und Modewarenhandel, dann im Handel mit Fell-, Leder- und Landwirtschaftsprodukten, mit Wolle, Holz und Manufakturwaren. 1877 gab es zwei jüdische Rechtsanwälte, einen Arzt, einen Redakteur, einen Versicherungsagenten, zwei Bankiers usw. Renommierte Geschäfte waren das Damenmodegeschäft Löwenstein, das Herrenmodegeschäft Dreyfuß, aber auch Industrieunternehmen wie die Trommelfabrik Weinstein. 1904 zählte die Gemeinde die höchste Mitgliederzahl mit 430, 1906 zählte sie nur noch 386 Mitglieder.
Zwischen den Weltkriegen
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Stadtbevölkerung im Jahr 1919 auf 40.000 Einwohner angewachsen. In den neu entstandenen Wohngebieten der Vorstädte und nördlich der Eisenbahntrasse wurden deshalb bevorzugt viergeschossige Häuser gebaut. Bedeutend luxuriöser waren die Wohnverhältnisse in den im südlichen Stadtgebiet entstandenen Villenkolonien Mariental, Predigerberg, Karthäuserhöhe und Marienhöhe, dort siedelten sich überwiegend Pensionäre und Beamte an. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung war auch die Neugründung der jüdischen Gemeinde in Eisenach verbunden, die sich zum Teil aus Geschäftsleuten aus Stadtlengsfeld und dem Eisenacher Oberland zusammensetzte. Mittelpunkt der Eisenacher israelitischen Gemeinde war die 1885 in der damaligen Wörthstraße (heute: Karl-Marx-Straße) erbaute Synagoge, sie wurde am 9. November 1938 bei der Reichspogromnacht in Brand gesteckt und zerstört. Im Ersten Weltkrieg starben 23 jüdische Soldaten aus Eisenach.
Das 2. Ersatz-Bataillon 167 wurde 1917 von Eisenach nach Kassel verlegt und im November das Ersatz-Bataillon des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 83 aus Eschwege übernommen. Das aus Schlesien nach Eisenach verlegte Panzerregiment II bezog im Oktober 1935 die neu gebauten Kasernen am Ludendorffwall (heute Ernst-Thälmann-Straße). Ein Denkmal für die Märzgefallenen am Eingang der Frankfurter Straße erinnert an einen blutigen Militäreinsatz am 18. März 1920 beim Kapp-Putsch, dabei fanden fünf Eisenacher Arbeiter den Tod. Von 1920 bis 1940 war Eisenach das Zentrum der Neulandbewegung von Guida Diehl. Die Organisation und der Neulandverlag hatten ihren Sitz im Neulandhaus; die Stadt war jährlich Schauplatz des Neulandtages.
Nationalsozialismus, Vernichtung der jüdischen Gemeinde, Zwangsarbeiter, Kriegszerstörungen
Am 30. Januar 1933 übernahm die NSDAP die Macht. Zunächst erlebte die Stadt einen starken wirtschaftlichen Impuls. Es wurden Wohnsiedlungen (Am Klosterholz, Kirschberg, Hofferbertaue), zwei Schulen, das Gebäude der Thüringer Staatsbank in der Karlstraße und das Verlagsgebäude der Thüringer Tagespost, das Diakonissenmutterhaus am Karlsplatz und eine Waldbühne errichtet. Im Rahmen der Wiederaufrüstung entstanden Rüstungsbetriebe, große Kasernenanlagen und eine Fliegerschule der Luftwaffe. Die Stadt wurde 1935 Standort des Panzerregiments 2 der 1. Panzer-Division. Am Siebenborn wurde ein Lager des Reichsarbeitsdienstes eingerichtet.
1920 und 1924 wurden verschiedene jüdische Geschäfte von Schülern mit Farbe beschmiert, 1923 und 1925 die Fenster der Synagoge eingeworfen. Ab 1933 wurden die Eisenacher Juden wie überall im deutschen Reich zunehmend entrechtet. Ab 1938 mussten immer mehr jüdische Bürger ihre Heimat verlassen. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge zerstört, jüdische Geschäfte und Privathäuser wurden geplündert und verwüstet. Gedenktafeln im Bahnhofsgebäude und in der Karl-Marx-Straße sowie etwa 50 Stolpersteine erinnern an diese Vorfälle. Im September 1941 wurden die 145 noch in der Stadt lebenden Juden im Haus Goethestraße 48 interniert und 1942 von dort nach Belzec und Theresienstadt deportiert. Nur wenige von ihnen überlebten.
1940 kamen die ersten Kriegsgefangenen und Frauen und Männer aus den von Deutschland besetzten Ländern in die Stadt und wurden vor allem im BMW-Stadtwerk und im BMW-Flugmotorenwerk zur Zwangsarbeit gezwungen. Die größten Gruppen bildeten 2.154 Ukrainer, 1.314 Russen und 390 Weißrussen. Die Zwangsarbeiter arbeiteten auch in umliegenden Orten. Ein Ehrenmal in den Erlengräben (Gemarkung Mosbach, Gemeinde Wutha-Farnroda) erinnert an 455 Opfer. Auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof am Wartenberg wird an 1040 umgekommene sowjetische Kriegs- und 102 Zivilgefangene erinnert.
1941 erhielt Eisenach Anschluss an das Reichsautobahn-Netz, von Osten her wurde die Strecke 80 provisorisch bis zur Abfahrt Eisenach-West fertiggestellt.[33] Hierfür fanden seit 1936 Bauarbeiten im Norden des Stadtgebietes statt, unter anderem wurde die Karolinentalbrücke und die heute denkmalgeschützte Autobahnmeisterei errichtet.
Im Zweiten Weltkrieg war die Stadt vom Herbst 1944 bis März 1945 wiederholt Ziel alliierter Luftangriffe. Besonders betroffen war das Zentrum um die Georgenkirche. Bei Kriegsende waren in Eisenach 2000 Wohnungen beschädigt oder unbewohnbar, das Automobilwerk war zu zwei Dritteln zerstört. In Trümmern lagen auch das Archivgewölbe und der Marstall der Residenz sowie die Ratswaage, die später beseitigt wurden. Schwer beschädigt waren die Alte Residenz, das Alte Schloss, das Creutznacher Haus, das Rathaus, das Lutherhaus und das Bachhaus. Leichtere bis mittelschwere Schäden durch Bomben oder Artillerie-Beschuss erlitten zahlreiche weitere Bauten, wie die Annen-, die Georgen-, die Kreuz-, die Nikolai- und die Predigerkirche, der Glockenturm, die Neue Residenz und die Wartburg. Die meisten beschädigten Gebäude wurden bald nach Kriegsende wiederhergestellt.
Amerikanische Besatzung
Die westlichen Vororte Hörschel und Neuenhof wurden mit der Nachbarstadt Creuzburg am 1. April 1945 von amerikanischen Einheiten eingenommen. Der deutsche Kampfkommandant von Eisenach verweigerte die Kapitulation und ordnete bedingungslosen Widerstand an. Die Amerikaner rückten in den folgenden Tagen nördlich der Stadt in Richtung Gotha weiter vor, die Eisenacher Innenstadt wurde am 6. April ab 2 Uhr bis zum Morgengrauen mit Artilleriefeuer belegt, was zusätzlich Gebäudeverluste durch ungelöschte Brände zur Folge hatte. Daraufhin setzte sich die Kampfkommandantur ab, die Truppen der deutschen Wehrmacht ergaben sich. In den Morgenstunden zum 6. April übergab der zwei Tage zuvor in sein Amt eingeführte Oberbürgermeister Rudolf Lotz die Stadt den amerikanischen Truppen.
Die Bilanz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg waren vier beschädigte Brücken, 55 öffentliche Gebäude (21 Totalverlust), 6.742 Wohnungen (1.870 Totalverlust) sowie 231 Nutzgebäude, Fabriken, Depots und technische Anlagen (davon mit 84 Totalverlust). Allein sieben Bombardements hatten dem BMW-Gelände am Nordrand der Innenstadt und dem Außengelände am Wartenberg gegolten. Über 17.000 Ausländer, davon 14.089 Italiener, saßen als Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene in Barackenlagern, Ruinen und Notunterkünften am Stadtrand fest. Die Eisenacher Sterberegister enthalten die Daten von etwa 2.000 Sowjetbürgern und vielen Hundert Opfern aus anderen Staaten Europas.
Vom amerikanischen Stadtkommandanten wurde Oberbürgermeister Lotz noch bis zum 7. Mai 1945 im Amt belassen und dann abgelöst. Zum neuen Bürgermeister wurde Ernst Fresdorf ernannt, ein Rheinländer und langjähriger Bürgermeister in Köln, der zufällig in Eisenach anwesend war. Noch unter den Amerikanern begann die Enttrümmerung der Stadt, der Bahnbetrieb und die Wiederinbetriebnahme von Produktionsstätten.
Sowjetische Besatzung
Mit der vertragsgemäßen Übergabe Thüringens an die Rote Armee am 1. Juli 1945 musste Fresdorf umfangreichen Personalüberprüfungen zustimmen, er selbst wurde am 25. Juli 1945 seines Amtes enthoben. Ab 27. Juli übernahm der SPD-Politiker Karl Hermann die Amtsgeschäfte des Oberbürgermeisters.
In Eisenach wurden nach Kriegsende vier Durchgangslager (eines für jede Besatzungszone) als Quarantänelager für Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Heimatvertriebene eingerichtet. Bis September 1946 wurden in Eisenach etwa 450.000 Personen registriert und versorgt.
An einem früheren Justizgebäude am Theaterplatz befindet sich eine Tafel mit der Inschrift: „Im Gedenken an die Opfer von Gewalt und Unrecht 1945–1989. In Erinnerung an 33 Eisenacher Jugendliche im Alter von 13–21 Jahren: 1945 verhaftet, 1946 verurteilt und 9 von ihnen hingerichtet. Ihr seid unvergessen.“ Den Jugendlichen wurden Werwolf-Aktivitäten vorgeworfen. Fünf der zu hohen Freiheitsstrafen Verurteilten verstarben in sowjetischen Speziallagern, die Überlebenden kehrten 1950/51 aus der Lagerhaft zurück.
DDR
Grenznahe Lage, Kreisstadt und Industriestandort, Bevölkerungsrückgang
Nachdem die innerdeutsche Grenze 1952 geschlossen worden war, lagen die westlichen Ortsteile im Fünf-Kilometer-Sperrgürtel, der nur mit staatlicher Erlaubnis betreten werden durfte. Insgesamt wirkte sich die grenznahe Lage nachteilig auf die Stadtentwicklung aus, so brachen die vorher engen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bindungen nach Nordosthessen ab, die Einwohnerzahl sank von 53.000 im Jahr 1939 auf 48.000 im Jahr 1988. 1950 verlor Eisenach den Status als kreisfreie Stadt und wurde Teil des Landkreises Eisenach, der 1952 geteilt wurde. Dabei kam die Stadt zum verkleinerten Kreis Eisenach im Bezirk Erfurt. Westlich der Stadt wurde der Grenzübergang Wartha/Herleshausen eingerichtet.
Am 17. Juni 1953 streikten 6.000 Arbeiter im Eisenacher Motorenwerk (EMW). Sie forderten insbesondere eine Senkung der Arbeitsnormen. Sowjetische Truppen rückten ein und die Besatzungsmacht rief den Ausnahmezustand aus.
1955 entstand das Wartburgstadion und ab 1965 das Sportzentrum in der Katzenaue. In der Wartburgstadt war ein DDR-Leistungszentrum des Fechtsports beheimatet. 1962 wurde der Bismarckturm auf dem Wartenberg gesprengt.
Das 1967 begangene Dreifach-Jubiläum 900 Jahre Wartburg, 450 Jahre Reformation und 150 Jahre Burschenschaftstreffen war Anlass für die DDR-Führung, Eisenach als sozialistische Musterstadt zu präsentieren. Ein umfangreiches Kulturprogramm und eine auf die Umgebung der Sehenswürdigkeiten begrenzte Stadtsanierung wurden bewilligt. Das Stadtbild wurde durch Neugestaltung von Grünanlagen (Bahnhofstraße, Wartburgallee) und Fassadensanierungen aufgehübscht. Ein modernes Stadtmarketing mit Tourismusinformation wurde initiiert, die ersten Eisenacher Intershops für den Verkauf von Westartikeln entstanden in zwei Hotels. Der Wartburgpavillon wurde errichtet, um die Eisenacher Automobilbautradition zu präsentieren. Als Gastgeschenk erhielt die Eisenacher Kirchgemeinde in den Folgejahren zwei Neubauten in den Randbezirken Hofferbertaue und Eisenach-Nord von westdeutschen Kirchenkreisen finanziert. In der Stadt fanden 1966 und 1967 mehrere wissenschaftliche Konferenzen mit internationaler Beteiligung statt. Die geplanten Städtepartnerschaften mit Denain in Frankreich und Pesaro in Italien wurden untersagt.
Der traditionelle Sommergewinn, das Liederfest Rund um die Wartburg, das Brunnenfest und das Wandelhallenfest waren in der DDR-Zeit die bedeutendsten Kulturveranstaltungen im Jahresverlauf.
Automobilproduktion, Abriss altstädtischer Gebiete
Die Wartburgstadt war ein wichtiger Industriestandort in der DDR, die größten Betriebe waren der VEB Automobilwerk Eisenach (AWE), das Kombinat Fahrzeugelektrik Ruhla (FER), mit dem Stammsitz in Eisenach und Ruhla, der VEB Elektroschaltgeräte Eisenach, der VEB Elektrotechnik Eisenach und der VEB Backwarenbetrieb Eisenach. Den Schwerpunkt bildete der Fahrzeugbau: 1956 rollte in Eisenach der erste Wartburg vom Band. Die jährlich gesteigerten Produktionszahlen erreichten 1971 eine Jahresmenge von 42.700 PKW und 1985 die höchste Jahresproduktion von 74.000 PKW. Problematisch für die weitere Entwicklung der Stadt war seit den 1970er Jahren der Fachkräftemangel in der Industrie und die latent auftretende Wohnungsnot. Schon 1972 begann man mit der Planung der ersten Plattenbausiedlungen, nachdem zuvor bereits im Nordwesten der Stadt an der Ernst-Thälmann-Straße eine stadtnahe Wohnsiedlung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) entstanden war. Mit dem Abriss von Altstadtquartieren wurde seit 1975 Platz für den industriellen Wohnungsbau geschaffen, im gleichen Jahr begann der Aufbau des innerstädtischen Wohngebietes Goethestraße mit etwa 750 Wohnungen, von 1976 bis 1978 wurden im Wohngebiet Petersberg weitere 460 Wohnungen errichtet und von 1978 bis 1985 entstanden im Wohngebiet Eisenach-Nord 3745 Wohnungseinheiten für etwa 12.000 Einwohner. Durch den Anschluss dieser Wohngebiete an die gleichzeitig entstandenen Fernwärmenetze konnte die Schadstoffbelastung der Atemluft gesenkt werden. In einer Bilanz für das Jahr 1986 wurden 5325 fernbeheizte Wohnungen ausgewiesen. 1975 wurde die 1897 eröffnete Straßenbahn Eisenach eingestellt und durch Gelenkbusse ersetzt. Das hohe Verkehrsaufkommen zum Schichtwechsel und die noch überwiegende Ofenheizung in den Wohnungen führten in der Innenstadt häufig zu Smogalarm, durch Atemwegsprobleme verursachte Erkrankungen nahmen stetig zu. Diese Umweltbelastung wurde seit Mitte der 1980er Jahre auch in der Eisenacher Tagespresse erwähnt. Neben der politischen Situation waren der befürchtete Verlust großer Teile der historischen Altstadt und die zunehmenden Umweltbelastungen wesentliche Gründe für den wachsenden Unmut und den Widerstand der Eisenacher Bevölkerung.