Eisenach auf dem Weg zur Einheit 1990

Im Ergebnis der Kommunalwahlen beginnen Mitte Mai 1990 Koalitionsgespräche zwischen der CDU, der SPD und weiteren in den Parlamenten vertretenen Parteien, zur Bildung einer großen Koalition auf Stadt- und Kreisebene. Auch die künftige Struktur der kommunalen Verwaltungen wird in diesen Gremien festgelegt.

Eine Welle von Warnstreiks und Demonstrationen erfaßt in diesen Wochen Eisenach – die Bürger fürchten infolge der rasanten politischen Veränderungen um ihre soziale Sicherheit. Volkseigene Betriebe werden in Kapitalgesellschaften umgewandelt und marktwirtschaftlich orientiert. Teure DDR-Waren werden radikal im Preis gesenkt - wahre Preisstürze erleben z. B. Fernseher (von 6.000 Mark auf 2.500 Mark) und Kaffeemaschinen (von 187 Mark auf 32 Mark) - der Trabant ist nun um 3.000 Mark billiger zu haben und kostet je nach Ausstattung zwischen 8.000 und 11.000 Mark.

Ende Mai kündigt die im März gegründete Opel-AWE-GmbH öffentlich die Produktion des Opel Vectra in Eisenach an. Am 28. Mai werden im Rathaus die Koalitionsvereinbarungen für die Stadtverordnetenversammlung unterzeichnet. Eine Große Koalition bilden die CDU, die SPD, der Bund Freier Demokraten (später FDP), der Demokratische Aufbruch und die Bürgerinitiative Hofferbertaue.

Am 31. Mai findet sich das Stadtparlament zu seiner konstituierenden Sitzung in der Aula der Medizinischen Fachschule ein. Zum Bürgermeister Eisenachs wird Dr. Hans-Peter Brodhun (CDU) gewählt.

Am 6. Juni, auf der konstituierenden Kreistagssitzung, fällt die Wahl zum Landrat des Eisenacher Landkreises auf Dr. Martin Kaspari (CDU).

Am 9./10. Juni veranstalten im Ehrensteig die Stiegker Gemeinde und die Sommergewinnszunft gemeinsam das erste Stiegker Straßenfest. Eine Marburger Brauerei spendet zehn Hektoliter Bier für diese Eisenacher Festlichkeit. Lange Schlangen wartender Kunden kennzeichnen in den Juni-Tagen das äußere Bild der Kreissparkasse - für die Umstellung ihrer Geldguthaben zur Währungsunion, reichen die Bürger ihre Anträge ein. Am 17. Juni treffen sich mehrere hundert Burschenschaften zu ihrer ersten offiziellen Kundgebung in Eisenach seit 55 Jahren.

Ende Juni informiert die Geschäftsführung des AWE, dass der Betrieb mit Wirkung vom 30. Juli Kurzarbeit einführen müsse. Diese Maßnahme resultiert aus der erforderlichen Umstellung auf marktwirtschaftliche Bedingungen.

Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum 1. Juli bereitet die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor. Der befürchtete Ansturm auf die Eisenacher Auszahlstellen bleibt aus. Neben den positiven Erscheinungen, die der Vereinigungsprozeß mit sich bringt, gilt fortan die größte Sorge der Bürger dem Erhalt des Arbeitsplatzes und der sozialen Sicherheit.

Am 11. Juli sichern sich die Bayerischen Motorenwerke die Nutzungsrechte für ein Grund stück am Deubachshof (bei Eisenach), mit dem Ziel, an diesem Standort eine Fertigungsstätte für Großwerkzeuge zu errichten. Damit wird BMW nach 45 Jahren Abstinenz wieder in Eisenach heimisch.

Am 23. Juli besuchen Bundeswirtschaftsminister Haussmann und Opel-Vorstandschef Hughes den AWE-Betriebsteil am Gries. Der Bundeswirtschaftsminister sagt zu, sich dafür einsetzen zu wollen, dass Eisenach ein Standort modernster Automobilproduktion wird.

Ende Juni/Anfang August wird das Gros der Dezernenten- und Amtsleiterstellen in Stadt- und Kreisverwaltung besetzt. Damit sind die Verwaltungen weitgehend arbeitsfähig.

Vom 1.-5. August werden die 41. und zugleich letzten DDR-Tennismeisterschaften auf der Tennisanlage im Johannistal ausgetragen.

Am 11. September äußert sich Geschäftsführer Liedtke in einer Belegschaftsversammlung der AWE GmbH optimistisch zur Zukunft des „Wartburg 1. 3“ - hoffnungsvolle Signale seien von hochrangigen Politikern, von Wirtschaftsfachleuten sowie von der Treuhandanstalt gekommen.

Am 25. September beginnen in der Georgenkirche wieder Friedensgebete, die sich diesmal gegen Ausländerhaß und für Frieden in Kuwait nach der Okkupation durch den Irak aussprechen. Bundeswirtschaftsminister Haussmann vollzieht am Vortag der deutschen Wiedervereinigung den „ersten Spatenstich“ für das Gewerbegebiet am Deubachshof, dem künftigen BMW-Standort bei Eisenach.

Den Tag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober läuten zur Mitternachtsstunde die Glocken der Georgenkirche ein. Mehrere hundert Eisenacher wohnen dem Ereignis auf dem Marktplatz bei. Mit einer Festsitzung im Rokokosaal begeht die Stadtverordnetenversammlung u. a. mit Gästen aus der Partnerstadt Marburg diesen historischen Tag. Der Festsitzung schließt sich ein Gottesdienst in der Georgenkirche an, bevor sich Stadt- und Kreisparlament gemeinsam mit zahlreichen Ehrengästen im Festsaal der Wartburg zusammenfinden. Die Festansprache hält Dr. Günther Schmidt, Direktor der Erweiterten Oberschule „Ernst Abbe“.