Die Schwurschwerter Ludwig des Springers

Vier der angeblichen Schwurschwerter in einer Ausstellung des Thüringer Museums, Anfang der 1960er

Der schönen Sage nach wurde Graf Ludwig der Springer (Graf Ludwig von Schauenburg * 1042, † 1123) durch einen raffinierten Trick Besitzer des Berges, auf dem die Wartburg errichtet werden sollte:

Es war Graf Ludwig, zubenamt der Springer, ein mächtiger Herr in Thüringen. Als derselbe einstmals am Inselberge jagte, traf er ein Stück Wildes, das er eifrig verfolgte, und ihm nachritt bis an das Flüßchen Hörsel, und bis gen Nieder-Eisenach, und von dannen wieder bis an den Berg, darauf jetzt die Wartburg steht. Dort blieb er und wollte warten, wo das Wild aus dem Walde lief, betrachtete derweil die schöne Gegend und vornehmlich den steilen Felsenberg, und dachte bei sich selbst und sagte: Wart' Berg, Du sollt mir eine Burg werden! So mit großer Lust, auf den Berg zu bauen, trachtete er auf Mittel und Wege, es füglich zu beginnen, denn der Berg gehörte den Herren von Frankenstein, welche nahe dabei schon eine Burg besaßen, der Mittelstein (Metilstein) genannt, (und war dieß vor der Wartburg die beste Burg in Thüringen) aber jenseit des Waldes bei Salzungen dicht über der Werra ihr Stammschloß hatten (Frankenstein). Und der Graf hatte bei sich zwölf Ritter, tapfre freie Mannen, mit denen berieth er sich heimlich, als sie sich zu ihm gefunden hatten, wie er den Berg an sich brächte, und es ward also gehandelt, daß des Nachts vom Schaumberg (bei Friedrichroda), der dem Grafen eigen war, Erde in Körben auf den Wartberg getragen wurde und darauf gestreut, und der Graf schlug dann eine Burgfriede mit Gewalt auf, hinter der er sich vertheidigen konnte. Bald kamen die Herren von Mittel- und Frankenstein, konnten aber dem Grafen auf seiner Felsenveste nichts anhaben, verklagten ihn daher bei Kaiser und Reich, daß er sich des Ihrigen mit Gewalt freventlich anmaße. Auf des Reiches Befragen entgegnete der Graf: Er habe die Burg auf das Seine gebaut, wolle sie auch nach Urthel und Recht, seines Verhoffens, wohl behalten. Darauf erkannte das Reich, so er mit zwölf redlichen Männern beweisen und beschwören könne, mit leiblichem Eid, daß das Land, worauf er gebaut, sein wäre, solle er es behalten. Da erkor der Graf seine zwölf Ritter zu Eideshelfern, trat mit ihnen auf den Berg, steckten ihre Schwerter in die zuvor hinaufgetragene Erde und schwuren, daß ihr Herr, Graf Ludwig, auf dem Seinen stände, und schon vor Alters dieser Boden (nehmlich der hinaufgetragene) zum Lande und zur Herrschaft von Thüringen gehört habe. Damit behielt er den Berg.

—Ludwig Bechstein, TSB

Der spätromatische Maler Moritz von Schwind (* 1804, † 1871) verewigte die Sage 1854/55 in seinem Bilderzyklus im Landgrafenzimmer der Wartburg. Ludwig Bechstein (* 1801, † 1860) faßte die Geschichte in ihre heutigen Worte und publizierte sie 1855 im Thüringer Sagenbuch.

Fresco von Moritz von Schwind im Landgrafenzimmer der Wartburg

So schön die Sage vielleicht auch ist zeigt sie dennoch, daß die Geschichte der Wartburg, nüchtern betrachtet, mit Betrug und Meineid begann.

Und mit Betrug und Fälschung ging es auch weiter:

1835 gab Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (* 1818, † 1901) die Wiederherstellung der Wartburg in Auftrag. Um den Fortgang der Arbeiten zu beaufsichtigen, besuchte er in Abständen die Baustelle. 

Zur Wiederherstellung der Burg mußten in den beiden Burghöfen bis zu drei Meter mächtige Schuttmassen abgetragen werden, um die Grundmauern und den Burgfelsen freilzuegen. Bei einer Inspektion durch den Großherzog im Jahr 1845 (oder 1846) führte man ihn an eine Felsspalte, die gerade freigelegt wurde. Dort konnte Carl Alexander dann mit eigenen Händen bei der Freilegung eines Bündels verrosteter Eisenteile mithelfen, die man in Bezug auf den Gründungsmythos als die Schwurschwerter der Wartburg ansprach.

Carl Alexander ließ sich täuschen. Oder wollte sich täuschen lassen. Jedenfalls ließ er, hocherfreut über den Echtheitsbeweis der Sage, die Schwerter nach Reinigung und Konservierung in einem eigens gefertigten Schaukasten in der Elisabethkemenate deponieren.

Nach seinem Tode wurde der Betrug offenbar. Zuschriften von Archäologen und Altertumskundlern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands berichteten von ganz ähnlichen Funden.

Auch die wahren Fundumstände erwiesen sich später als eine geschickte Manipulation. Es konnte nie aufgeklärt werden, wer konkret daran beteiligt war. Als Motiv wird angenommen, daß man sich den Großherzog gewogen halten wollte, um weitere Mittel für die Burgsanierung zu erhalten. Plausibel wäre auch, der herzoglichen Familie durch diesen Sensationsfund von der Wartburg mehr Prestige zu verschaffen.

Aber um was handelt es sich, wenn es keine Schwerter sind? — Bei 11 der 13 Funstücke handelt sich um Roheisenbarren, wie sie um 200 bis 100 vor Christus üblich waren. Zwei waren in deutlich jüngerer Zeit nachgeschmiedet worden.

Es ist auch nicht belegt, daß der ursprüngliche Fundort der Barren die Wartburg war. Möglicherweise stammen sie aus einem unbekannten Depot-Fund und wurden erst zum Zwecke der Manipulation auf die Wartburg-Baustelle verbracht.